In der Debatte um die Erhöhung des Rundfunkbeitrags werden unterschiedliche Positionen immer wieder in den Kategorien West- und Ostdeutschland einsortiert. Ob es sinnvoll ist, die Sichtbarkeit des Ostens „als Osten“ zu stärken, ist jedoch fraglich.
Probleme wachsender sozio-ökonomischer Ungleichheit sind unterrepräsentiert und werden bisweilen sogar dadurch verschleiert, weil sie oft primär als Ost/West-Gegensatz dargestellt werden. Gleichzeitig würde ein stärkerer Fokus auf diese Ungleichheit, auf das Fehlen von adäquater Industrie- und Standortpolitik, automatisch zu einer stärkeren Repräsentanz von Menschen und Regionen in Ostdeutschland führen, ohne dabei rhetorisch den Ost-West-Gegensatz fortzuschreiben.
Dementsprechend würde, wenn meine These zutrifft, eine “höhere Sichtbarkeit des Ostens” wenig dabei helfen, ebendort die Legitimation demokratischer Institutionen und des öffentlich-rechtlichen Rundfunks im Besonderen zu steigern. Denn entscheidend für Institutionenvertrauen ganz allgemein ist, ob Menschen für sich und ihr Umfeld positive Zukunftserwartungen haben – oder eher mit Abwanderung kämpfen. Das ist sogar wichtiger, als die aktuelle ökonomische Situation – und das gilt für Ostdeutschland genauso wie für andere, sogenannte “strukturschwache” Regionen.
Leonard Dobusch, netzpolitik.org, 16.12.2020 (online)