Zur Doppelstrategie der News-Websites passt, dass Billignachrichten fürs Volk zunehmend über Tech-Plattformen ausgespielt werden. Nach Google News kooperiert der Großteil der deutschen und amerikanischen Presse nun auch mit Facebook News beim Vertrieb der eigenen Produkte. Facebook News zeigt seinen Nutzern in der Kategorie My-News nur jene Nachrichtenschnipsel, die auf die Interessen der Nutzer zugeschnitten sind. In der Kategorie Top-News dagegen werden Nachrichten angezeigt, die für die Allgemeinheit wichtig sind. Die Auswahl der ersten Kategorie besorgen Algorithmen auf der Basis des bisherigen Nutzerverhaltens, die Auswahl der Top-News erfolgt durch Redakteure. Für Facebook erledigt das der News-Aggregator Upday, eine Tochterfirma des Springer-Konzerns. Springer-Redakteure legen für mittlerweile 25 Millionen Nutzer fest, welche Top-Nachrichten ganz oben stehen.
Während Konzernchef Döpfner nicht müde wird, von einem fairen, unabhängigen und innovativen Journalismus zu schwärmen, verrät die digitale Technik, welche Entwicklung tatsächlich abläuft: die Spaltung des Journalismus in die Versorgung der Armen mit Nachrichten-Ramsch und die Bedienung der Reichen mit verwertbarem Insiderwissen. Das gab es zwar in Teilen schon immer, doch nun wird es durch Technik zum unvermeidlichen Sachzwang.
Das neue digitale Geschäftsmodell verstärkt den Trend, den der Rechtspopulismus in Europa und den USA vorgezeichnet hat: einerseits direkte, aber gesteuerte Ansprache der Masse, andererseits Insiderwissen für eine Politik zum Nutzen der Reichen: Rechtspopulismus und digitale Medien entwickeln parallel sehr ähnliche Strategien.
Wolfgang Michal, Freitag 43/2021, 29.10.2021 (online)