Patricia Schlesinger hat vom hippen, Maßstäbe setzenden Metropolensender geträumt. Ihre Vorgängerin Dagmar Reim hatte durch ein hartes Sparprogramm den Weg dafür frei gemacht. Beide haben es nicht geschafft, das Publikum in Berlin und Brandenburg wirklich für den RBB zu gewinnen, ihn über „Abendschau“, „Brandenburg Aktuell“ oder die „Schicksalsjahre einer Stadt“ hinaus zu ihrem „Heimatsender“ zu machen.
Das persönliche Versagen von Patricia Schlesinger und ihrer Geschäftsleitung, aber auch Bequemlichkeit oder mangelnde Professionalität der aktuellen Gremien haben zu einem Desaster geführt, das jetzt alle beklagen. Auch die von den Fraktionen der Parlamente entsandten Politikerinnen und Politiker, genau wie die Vertreter der Rechtsaufsicht, der Staats- und Senatskanzlei, die an den Sitzungen von Rundfunk- und Verwaltungsrat teilnehmen dürfen, haben offenbar nicht genug hingeschaut oder kritisch nachgefragt. Auf jeden Fall fehlten ihnen die richtigen Informationen. …
Im RBB hat eine von persönlicher Eitelkeit, möglicherweise auch von Selbstüberschätzung geprägte Chefetage den Sender in die Krise geführt. Die, die es besser wussten oder hätten wissen können, haben geschwiegen, mitgemacht – und ihre Boni kassiert. Die überzogene Distanzierung der ARD allerdings – und die Stigmatisierung des RBB – zeugen von Verunsicherung, von der Sorge vor kritischer Prüfung, von der Angst um den Status quo. …
Die Konstruktion des gemeinsamen Senders für zwei Länder muss dringend umgebaut werden. Statt 2003 die wirtschaftlichen und personellen Strukturen der belächelten „schlanken Anstalt“ in Potsdam zu übernehmen, sich in der Rolle eines kleineren, aber erfolgreichen Senders wohlzufühen, setzten sich die Subventionsmentalität des alten Westberlin und die aus dem NDR übernommene Anspruchshaltung der Intendantin und ihrer vom NDR oder WDR kommenden Führungskräfte durch.
Hans-Jürgen Rosenbauer, tagesspiegel.de, 24.8.2022 (online)