Die Messbarkeit von Medienkonzentration und die daraus folgende Ableitung von medienvielfaltssichernden Maßnahmen wird aufgrund des Wandels im Mediensystem zunehmend komplexer und schwieriger. Daher könnten künftig neben ökonomischen Modellen zur Begrenzung der Medienkonzentration auch Vorschläge zur Sicherung publizistischer Vielfalt bedeutsamer werden, die auf medienpolitische Verfahren, unternehmensinstitutionelle Mechanismen und rezipientenorientierte Verbindlichkeiten abzielen.
Bereits 1994 hat der Staatsrechtler Martin Stock die damaligen Konzentrationsbestimmungen des Rundfunkstaatsvertrags als „im Sinn großer Freizügigkeit“ kritisiert und vorgeschlagen, die innere Rundfunkfreiheit „in Gestalt einer rechtlich garantierten eigenen journalistischen Verantwortung der Programmmitarbeiter i.V.m. Redakteursbeteiligung auf dem Boden von Redakteursstatuten“ zu sichern und in Verbindung damit gesellschaftlich-pluralistisch zusammengesetzte Programmbeiräte mit effizientem Programmeinfluss einzusetzen. […]
In eine vergleichbare Richtung geht der Vorschlag der Gründung einer Medienkommission durch den Rechtswissenschaftler Bernd Holznagel und den Zeitungsforscher Horst Röper 2010. Als Resultat ihrer Analyse schlagen die Autoren „die Errichtung einer Medienkommission (Meko)“ vor, „die ähnlich der Landesmedienanstalten aus der allgemeinen Verwaltung ausgekoppelt wäre. Zentrale Aufgaben der Meko sollen die Stärkung der Medienvielfalt und die Förderung der journalistischen Qualität im Presse- und Internetdienstewesen“ sein sowie die Herstellung von Transparenz über die Medienbranche.
Ebenfalls als Institution in der öffentlichen Arena plädierte Mitte der 1990er Jahre die sogenannte Weizsäcker-Kommission in ihrem „Bericht zur Lage des Fernsehens“ für einen Medienrat, der dauerhaft den Programm- und Strukturwandel in den Medien beobachten, Richtlinien zur Medienverantwortung erarbeiten und Empfehlungen zur Selbstkontrolle der Medienanbieter anregen sollte. In Ergänzung dazu wurde die Einrichtung einer „Stiftung Medientest“ empfohlen, die eine Test- und Archivfunktion, eine Informationsfunktion sowie Forums- und Ombudsmannfunktion hätte. […]
Die medienpolitischen Handlungsmöglichkeiten sind als komplementäre Mechanismen zu verstehen. Sie machen darauf aufmerksam, dass publizistische Vielfalt an das Vorhandensein und die Ausgestaltung journalistischer Leistungen gekoppelt ist, weil
- eine Vielzahl journalistischer Leistungen unterschieden werden können muss (Vielfaltsaspekt),
- journalistische Leistungen in einem bestimmten Umfang in allen einzelnen Medien oder Medienmärkten überhaupt und/oder gleichgewichtig vorhanden sein müssen (Bestands- und Gleichgewichtsaspekt)
- und weil diese Vielzahl nicht gleichförmig meinungskonform sein darf, sondern das gesellschaftliche Spektrum pluraler Meinungen und Interessen weitgehend abdecken muss (Inhalts- und Interessenaspekt).
Zu fragen ist, ob und in welchem Maße überhaupt journalistische Leistungen von bestimmten Medien angeboten werden, ob diese Angebote in einem gleichgewichtigen Verhältnis zu anderen Angeboten und zur Werbung stehen, und zwar sowohl intramediär innerhalb des gleichen Mediums (zum Beispiel das Verhältnis Informations- zu Unterhaltungsprogrammen) wie intermediär im Vergleich der Medien. Eine wirksame Konzentrationskontrolle bleibt weitgehend wirkungslos, wenn sie zwar auf publizistische Vielfalt zielt, publizistische Angebote aber nur bedingt oder gar nicht vorhanden sind. Es reicht künftig wohl nicht mehr aus, nur die Unternehmen medienkonzentrativ zu kontrollieren, wenn ihre Produkte nur aus Unterhaltungsprogrammen bestehen, oder Onlineangebote von Unternehmen zu prüfen, die nur schwerlich unter einen Medienbegriff und deren Produkte nahezu gar nicht als journalistische Leistungen zu subsumieren sind. Publizistische Vielfaltssicherung wird zunehmend auch am Produkt und dessen Vorhandensein ansetzen müssen.
Klaus-Dieter Altmeppen: Handlungsmöglichkeiten zur Sicherung publizistischer Vielfalt, APuZ, 20.05.2014 (online)