Zitiert: Das öffentliche Radio muss sich auf seinen Auftrag besinnen

 

So Karin Beindorff, Feature-Redakteurin des Deutschlandfunks in einem Meinungsbeitrag für epdmedien (38/2013). Sie stellt fest: „Parallel zum Bologna-Prozess der Schul- und Universitätspolitik hat auch der öffentlich-rechtliche Rundfunk seinen Bildungsauftrag verändert, der Forderung nach ökonomisch verwertbarem Wissen angepasst. Service ist deshalb nicht zufällig ein Schlüsselwort, das durch die Flure der Sendeanstalten als Inbegriff eines angeblich hörerfreundlichen Programms geistert. Kochrezepte im Massenprogramm, der Drei-Minutenbeitrag von einer Pressekonferenz des Landwirtschaftsministeriums auf der Infowelle, das Feature über die Nahrungsmittelproduktion dagegen auf der Kulturwelle. Aufklärung ist viel zu oft in die Nische verbannt.“

Und sie verweist darauf, dass es interessanterweise aber gerade die ins Kulturradio abgedrängten Bereiche sind, „die im werbefinanzierten Kommerzfunk gar nicht vorkommen, eine genuine Domäne des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Die großen Radioformen – gründlich recherchiert, sorgfältig bearbeitet und oft aufwendig produziert – stellen Zusammenhänge her und greifen mit ihren besonderen formalen Mitteln in die zeitgemäßen Debatten ein. Im Privatradio dagegen gibt es keine Hörspiele, keine Features, keine Essays, keine Kontroversen mit langem Atem. Doch nicht zuletzt diese Genres sind es, die die jetzt von jedem Haushalt erhobenen Beiträge rechtfertigen. Mit ihrer Vernachlässigung sägt der öffentlich-rechtliche Rundfunk an dem Ast, auf dem er sitzt.

Die Hierarchen in den Funkhäusern und ihre Aufsichtsgremien wissen das und verschleiern die seit Jahren betriebenen Sparmaßnahmen in ihren Kulturwellen mit Werbeparolen wie: „Das Beste genießen.“ Das ist das Motto des „ARD-Radiofestivals“, das auch als „Kultursommer“ angepriesen wird, in dem sich Kulturwellen zwei Monate lang abends zusammenschalten und alle das gleiche Programm ausstrahlen. Auch das „ARD-Radio-Feature“ und der „Radio-Tatort“ werden als „Synergieeffekt“ zur Bündelung von Kräften verbrämt, mit deren Hilfe man etwas auf die Beine bringen würde, dass es ohne diese konzertierte Aktion nicht gäbe.

Doch senderübergreifende Koproduktionen bei Feature und Hörspiel sind seit langem eingespielt und sichern schon immer aufwendigere Recherchen und Reisen der AutorInnen ab. Nur dass es früher den Zwang nicht gab, fast in der gesamten ARD für diese Produktionen Sendeplätze herzugeben.“

Sie stellt fest, dass das gemeinsame Bespielen von Sendeplätzen Vielfalt reduziert. „Das sommerliche Radiofestival genauso wie die Gemeinschaftsproduktionen verringern ganz schlicht die Anzahl der Hörspiele und Features, Konzerte und Literatursendungen, die in der ARD bisher produziert werden konnten und damit, nebenbei bemerkt, auch die Einkommen für freie AutorInnen und RegisseurInnen.

Viel zu selten wird selbstbewusst darauf verwiesen, dass der öffentlich-rechtliche Rundfunk auch Kulturproduzent ist, nicht nur Verbreiter wie die Kommerziellen – vom Internet und seinen Alles-Umsonst-Piraten gar nicht zu reden. Autoren und Schriftsteller, Musiker und Komponisten, Regisseure, Dramaturgen und Sounddesigner jenseits des nur Marktgängigen bekommen hier bezahlte Aufträge, ohne die es viele ihrer Werke kaum geben würde. Diese für und durch den öffentlichrechtlichen Rundfunk hergestellten Arbeiten repräsentieren einen wesentlichen Teil des künstlerischen und intellektuellen Potenzials dieser Gesellschaft.

Diese Werke als elitär, altbacken, hochtrabend etc. zu bezeichnen, nur weil sie sich nicht jedem potenziellen Rezipienten auf Anhieb erschließen, ist billig. All unsere redaktionelle Erfahrung, all unser Können daran zu setzen, jedermann einen Zugang zu Politik, Wissenschaft und Kunst zu ermöglichen, darin besteht die Herausforderung eines intelligenten Radios, das wegen seiner finanziellen Absicherung nicht nur auf Einschaltquoten schielen muss. Möglichst viele Hörer zu erreichen, muss ein Ziel auch des öffentlich-rechtlichen Rundfunks sein, nur nicht unter Preisgabe seines kulturellen und politischen Auftrags.“

Die Mediatheken würden zeigen, was gefragt sei. „Die Abfragezahlen für Features und Hörspiele, für Diskursives, Kontroverses und Hintergründiges sprechen eine ganz andere Sprache. Offensichtlich gibt es immer noch einen großen, womöglich sogar steigenden Bedarf an wenig Massenkompatiblem“.

 

Ihr Fazit: „Öffentlich-rechtlicher Rundfunk sollte immer Kulturradio sein, auf allen Wellen – auch dort, wo gesurft wird.“

Onlinefilm.org

Zitat der Woche
Gut zur Entgiftung des öffentlichen Diskurses wäre es, auch in den Beiträgen jener, die anders denken als man selbst, die klügsten Gedanken zu suchen, nicht die dümmsten. Man läuft natürlich dann Gefahr, am Ende nicht mehr uneingeschränkt Recht, sondern einen Denkprozess in Gang gesetzt zu haben.   Klaus Raab, MDR-Altpapier, 25.05.2020, (online)    
Out of Space
Auf seinem YouTube-Kanal „Ryan ToysReview“ testet der kleine Amerikaner Ryan seit März 2015 allerhand Spielzeug. Die Beschreibung des erfolgreichen Channels ist simpel: „Rezensionen für Kinderspiele von einem Kind! Folge Ryan dabei, wie er Spielzeug und Kinderspielzeug testet.“ Ryan hat 17 Millionen Abonnenten und verdient 22 Millionen Dollar im Jahr. Berliner Zeitung, 04.12.2018 (online)