Wie man zu „Tränen gerührt sein“ muss

Günther Jauch hat gegen eine Burda-Illustrierte geklagt und vor dem Oberlandesgericht Karlsruhe einen Teilerfolg erzielt. Diese hatte nach einem Aufmacher auf der Titelseite in einem Artikel behauptet: „Sicherlich war er auch zu Tränen gerührt, als er vom Schicksal sozial benachteiligter Kinder in seinem Wohnort Potsdam hörte.“ Dazu konnte Jauch eine Gegendarstellung durchsetzen.

 

Das Oberlandesgericht Karlsruhe erklärt zu den Voraussetzungen eines Gegendarstellungsanspruchs gegen eine Fotomontage und die Aussage „zu Tränen gerührt“:

„Ein sicher beträchtlicher Teil des Publikums verbinde mit dieser Formulierung das Bild eines Menschen, der nicht nur beinahe, sondern der auch tatsächlich geweint habe. Zumindest werde erwartet und vorausgesetzt, dass die betroffene Person jedenfalls ganz kurz vor dem Ausbruch der Tränen sei und dass dies auch spürbar, wenn nicht sogar sichtbar sei, die Stimme einer solchen Person werde unsicher, ihre Augen seien gerötet und feucht und vielleicht trete ‑ obwohl die Person gegen die Emotion ankämpfe ‑ die eine oder andere vereinzelte Träne doch schon hervor. Es handele sich also um körperliche Vorgänge, die nicht im Inneren des Menschen verblieben, sondern ohne Weiteres im Wege einer Beweisaufnahme einer Feststellung zugeführt werden könnten. Der Umstand, dass die strittige Äußerung mit dem Wort „sicherlich“ eingeleitet werde, stehe der Annahme einer Tatsachenbehauptung nicht entgegen. Einschränkende Zusätze dieser Art reichten grundsätzlich nicht aus, dies lediglich als Meinungsäußerung zu qualifizieren. Im ersten Teil des Artikels werde der Leser mit harten Fakten zur TV‑Karriere des Klägers konfrontiert. Auch der nur durchschnittlich aufmerksam und informierte Leser werde konstatieren, dass ihm diese Fakten wohl bekannt seien und auch tatsächlich zuträfen. Die dadurch beim Leser gewissermaßen hervorgerufene „Sogwirkung der Faktizität“ dränge ihm unter diesen Umständen geradezu auf, dass dann aber auch wohl der zweite mit „Tränen“ zu überschreibende Teil des Artikels ungeachtet des vorangestellten „sicherlich“ seine Richtigkeit habe und ebenso im Faktischen verwurzelt sein werde wie der Auftakt.“

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