Ich habe den Eindruck, dass Geschichten aus der DDR heute hauptsächlich aus westdeutscher Sicht erzählt werden. Dass wir andere Erfahrungen und natürlich andere Perspektiven haben, finden viele meiner westdeutschen Kollegen immer noch überraschend. Jedenfalls sehe ich selten einen Film über die DDR, wo das Gefühl stimmt, und ich mich mit meinen Erfahrungen und meiner Sicht widergespiegelt finde. Bei der Finanzierung unseres Films bekamen wir von einer Förderung in erster Instanz eine Ablehnung. Mit dem Argument: Gundermann sei nur so ein Einzelschicksal. Das sei ja nicht verallgemeinerbar, das würde man nicht verstehen. Andi Dresen konterte: „Aber wenn ich jetzt über Rio Reiser erzählen würde, dann würden Sie es verstehen, oder? Obwohl das auch nur ein Einzelschicksal ist.“ Und immerhin in zweiter Instanz bekamen wir die Förderung. Da hab ich gedacht, wir müssten insgesamt auch selbstbewusster auftreten, so wie Andi in dieser Situation. Mag sein, dass wir im Osten Geborenen bestimmte Dinge nicht so aufbereiten können, dass sie allgemein verständlich werden. Vielleicht bleiben Leerstellen, Fragen offen. Na und? Darüber kann man doch diskutieren. Mir geht es ja auch oft so, dass ich Filme über den Westen sehe, die ich nicht restlos verstehe, zum Beispiel über West-Berlin in den Siebzigern oder Achtzigern. Da sind für mich auch Leerstellen, da kommen Codes vor, die ich nicht kenne. Eigentlich sollten wir genau das benutzen, um ins Gespräch zu kommen.
(Laila Stieler: Meine Reue kriegt ihr nicht. In: Andreas Leusink (Hg.): Gundermann. Aufbau Verlag 2022. S. 121)