MDR in der Kritik

Wesentliche Aussagen der Studie Information oder Unterhaltung? Eine Programmanalyse von WDR und MDR von Joachim Trebbe , Anne Beier und Matthias Wagner (OBS-Arbeitspapier 17, Herausgeber: Otto Brenner Stiftung, online)

Der WDR bietet im Vergleich zu allen bisher untersuchten Dritten Programmen (im Bereich Information und Unterhaltung) den größten Anteil besonders relevanter, gesellschaftlich-kontroverser Themen (62 Prozent). Der MDR liegt mit 42 Prozent deutlich unterhalb dieser Marke und eher in der Nähe der vormals analysierten Programme von NDR und SWR. Der im Vergleich niedrige Informationsanteil des MDR ist vor allem auf höhere Anteile für fiktionale Unterhaltung durch Filme zurückzuführen. Die Anteile für weiche Themen mit Human-Touch-Charakter (Unfälle, Kriminalität, Prominenz) liegen in den analysierten Programmen mit 14 Prozent (MDR) und 10 Prozent (WDR) auf einem ähnlichen Niveau. Damit wird der umstrittene Befund der Vorgängerstudie bestätigt, dass Human-Touch-Themen in den Dritten Programmen der ARD einen hohen Stellenwert einnehmen. (S. 6)

 

Beide Programmversionen strahlen keine Werbung aus, zeigen aber vergleichsweise deutliche Unterschiede im Hinblick auf das Zeitvolumen, das sie für die Überleitungen zwischen Sendungen, Trailern und Programmhinweisen aufwenden. Das Fernsehprogramm des WDR braucht dafür etwa 28 Minuten pro Tag und liegt damit exakt auf der Höhe des Vergleichswertes, der 2012 für den SWR gemessen wurde. Der MDR nimmt sich für diese Verbindungs- und Promotionsfunktion mit 49 Minuten pro durchschnittlichem Sendetag deutlich mehr Zeit und hat damit den höchsten Wert in diesem Programmvergleich, auch wenn dieser noch immer deutlich von den Zeitwerten entfernt ist, die für Programmverbindungen in privaten Programmen aufgewandt werden und meist bei weit über einer Stunde am Tag liegen. (S. 20)

 

Insgesamt liegen die Wiederholungsquoten für die Fernsehprogramme des WDR und des MDR mit 32 bzw. 35 Prozent etwas unter dem Niveau der Daten, die im Jahre 2012 für SWR und NDR gemessen wurden. Über die oben beschriebene Mehrfachverwertung der Auseinanderschaltungen hinaus werden im Programm des WDR jeden Tag etwa 10 Prozent der Sendungen mehrmals an einem Tag gezeigt, im Programm des MDR sind es 16 Prozent. Im MDR kommen dazu noch in bis zu 10 Prozent der Sendezeit Wiederholungen aus dem Ersten Programm der ARD vom gleichen Tag.

So gesehen bestehen beim MDR 62 Prozent und beim WDR 66 Prozent der Sendezeit aus originären, nicht mehrfach im Untersuchungszeitraum ausgestrahlten Erstsendungen. (S. 22)

 

Als Mehrländeranstalt für drei Bundesländer liegt hier im Hinblick auf die regionale Ausrichtung der Magazine eine vollständig andere Struktur vor. Beim MDR wird nicht lokalisiert, sondern regionalisiert: Auseinanderschaltungen betreffen hier nicht die lokale Ebene innerhalb des Bundeslandes, sondern die drei Bundesländer im Sendegebiet. (S. 28)

 

Die Längsschnittanalyse zweier regionaler Sendungen hat außerdem gezeigt, dass im MDR die Regionalberichterstattung häufiger aus Sachthemen und Ratgeberbeiträgen besteht – im WDR dominieren kontroverse und politische Themen. (S. 7)

 

Die ausgewiesenen Nachrichtenformate nehmen rein quantitativ keinen besonders großen Raum ein. Der MDR liegt mit 5 Prozent der Gesamtsendezeit für Nachrichtensendungen etwa auf dem Niveau von SWR und NDR (2012, jeweils 5 Prozent), der WDR mit 4 Prozent nur geringfügig dahinter. Dafür werden im WDR Fernsehen vergleichsweise häufig (13 Prozent) Reportagen und Dokumentationen gezeigt, die im MDR Fernsehen mit 7 Prozent dagegen deutlich untergewichtet werden. An die Werte des NDR Fernsehens, die 2012 gemessen wurden (20 Prozent für Reportagen, Dokumentationen), reichen an beide aktuell analysierten Programme nicht heran.

Sportsendungen spielen in beiden Programmen mit 3 bzw. 5 Prozent der täglichen Sendezeit eine vergleichsweise untergeordnete Rolle. Dennoch erzielen WDR und MDR im Vergleich zu den im Jahr 2012 untersuchten Programmen (jeweils 1 Prozent) deutlich höhere Werte. Talk- und Interviewformate nehmen mit 5 Prozent (WDR) und 7 Prozent (MDR) dagegen mehr Sendezeit in Anspruch, liegen aber im Verhältnis zu den anderen Programmen eher im Mittelfeld. (S. 28)

 

Ein besonders kontrovers diskutierter Befund der SWR/NDR-Studie aus dem Jahr 2012 betraf damals die Themenstruktur der untersuchten Programme.17 Unter anderem wurde der vergleichsweise hohe Anteil von Human-Touch-Themen, d. h. Berichterstattung über Stars und Sternchen, Sex and Crime etc., intensiv diskutiert und auch unter methodischen Gesichtspunkten kritisiert (SWR 2012: 15 Prozent, NDR 2012: 21 Prozent). Die aktuellen Daten für die Fernsehprogramme des WDR und des MDR zeigen nun relativ deutlich, dass die damaligen Befunde keine Spezifika der dort untersuchten Programme waren. Auch in der aktuellen Untersuchung wurden für die Gruppe dieser „weichen“ journalistischen Themen vergleichbare Werte ermittelt.

So kann man im Programm des WDR Fernsehens etwa 18 Prozent der Sendezeit diesen Themen zuordnen, beim MDR sind es 17 Prozent. In beiden Programmen bezieht sich der größte Teil dieser Human-Touch-Berichterstattung auf die eher belanglosen Zerstreuungsthemen wie Stars und Prominenz und weniger auf Angstthemen wie Kriminalität, Unfälle und Katastrophen. (S. 32)

 

In den Magazinsendungen der untersuchten Programme rückt die Politikberichterstattung stärker in den Hintergrund. Unpolitische Sach- und Ratgeberthemen nehmen 53 Prozent (WDR) bzw. 46 Prozent (MDR) der genrespezifischen Sendezeit in Anspruch und liegen damit vor den Beiträgen über kontroverse und politische Themen mit 24 Prozent (WDR) und 19 Prozent (MDR). Der MDR setzt darüber hinaus einen deutlichen Akzent auf die Human-Touch-Berichterstattung (z. B. Brisant), die mit 27 Prozent der Sendezeit für Magazinbeiträge den zweiten Rang einnimmt (WDR: 17 Prozent, dritter Rang). (S. 38)

 

An erster Stelle der Themenstruktur stehen nicht – und das ist eine Konstante mit Blick auf die Analysen der Jahre 2012 und 2014 – die gesellschaftlichen Kontroversen oder gar Politik im engeren Sinne. An erster Stelle stehen die unpolitischen Sachthemen aus allen möglichen gesellschaftlichen Teilbereichen. Im WDR Fernsehen sind das insgesamt 25 Prozent der Gesamtsendezeit und damit klar mehr als die Hälfte der regionalen und lokalen Fernsehpublizistik (42 Prozent der täglichen Sendezeit). Beim MDR Fernsehen liegt der Wert bei 4 Prozent, nicht ganz die Hälfte der regionalen Fernsehpublizistik (10 Prozent), aber quantitativ gesehen die größte Themengruppe innerhalb der Beiträge mit Regionalbezug in der Untersuchungswoche. (S. 41)

 

Politische und gesellschaftliche Kontroversen liegen übrigens in beiden aktuell untersuchten Programmen knapp hinter den Human-Touch-Themen. Beim MDR sind es 14 Prozent, im WDR Fernsehen sind es 16 Prozent, die an einem durchschnittlichen Sendetag für diese aus der Perspektive der öffentlichen Kommunikation besonders relevanten Themen reserviert werden. Zum Vergleich: Beim SWR wurden damals 10 Prozent gemessen, beim NDR waren es 13 Prozent. (S. 56)

 

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