Gestern meldeten sich DJV und ver.di zu den Auseinandersetzungen bei der Magdeburger Volksstimme: „Bei der zum Hamburger Bauer-Konzern gehörenden Magdeburger Volksstimme hat in dieser Woche eine neue Ausgliederungsrunde mit dramatischen Gehaltseinbußen für die Mitarbeiter begonnen. Nach Angaben des Betriebsrates hat die Unternehmensleitung am Mittwoch angekündigt, die Mantelredaktion zum 31. Januar aufzulösen. Den rund 25 Redakteurinnen und Redakteuren sollen Aufhebungsverträge und Arbeitsplätze in drei neu gegründeten Volksstimme-GmbHs angeboten werden.
Mit dem Wechsel sollen die Redakteure so genannte Abschmelzungsverträge unterschreiben, mit denen sie auf bis zu 40 Prozent ihrer Gehälter verzichten – bei gleicher Arbeit. Wer nicht unterschreibt, dem droht die Kündigung.
Nach diesem unsozialen Muster hatte die Unternehmensführung in den vergangenen eineinhalb Jahren bereits die 18 Lokalredaktionen der Volksstimme zunächst vom Mutterunternehmen abgespalten und anschließend schrittweise umstrukturiert. Bei den Arbeitsgerichten sind zahlreiche Klagen gekündigter Volksstimme-Mitarbeiter anhängig. Vor zwei Jahren war die firmeneigene Volksstimme-Druckerei geschlossen und durch eine mit deutlich schlechter bezahlten Leiharbeitern betriebene Fremdfirma ersetzt worden.
Die Volksstimme wird zurzeit von mehr als 40 Mini-GmbHs produziert und vertrieben. Nur noch die jetzt vor der Aufsplitterung stehende Magdeburger Verlags- und Druckhaus GmbH (MVD) verfügt über einen Betriebsrat.
Auf Forderungen des Betriebsrates, einen verhandlungsfähigen Sozialplan für ausscheidende Mitarbeiter vorzulegen, hat die Geschäftsführung bislang nicht reagiert. Der Betriebsrat hat deshalb jetzt beim Arbeitsgericht Magdeburg ein Verfahren eingeleitet, um einen Sozialplan notfalls zu erzwingen.
Uwe Gajowski, Landesvorsitzender des Deutschen Journalistenverbandes Sachsen-Anhalt, erklärte: „Die erneute Ausgründung ist der traurige Schlusspunkt einer fatalen Entwicklung bei der Volksstimme hin zu einem Billigbetrieb á la Schlecker. Guter Journalismus ist damit auf Dauer nicht zu machen. Diese Unternehmenspolitik schwächt die Qualität der Zeitung und gefährdet somit langfristig Arbeitsplätze. Dabei hätte der Bauer-Konzern dies überhaupt nicht nötig. Die Volksstimme ist eine gutgehende Regionalzeitung die Jahr für Jahr satte Gewinne an die Hamburger Konzernzentrale abführt.“
Michael Kopp, Fachbereichsleiter Medien der Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft ver.di /dju sagte: „Lohndumping ist in jedem Betrieb eine grobe Ungerechtigkeit. Wenn aber ausgerechnet eine Tageszeitung, die auf soziale Missstände in anderen Betrieben aufmerksam machen sollte, gegen ihre eigenen Mitarbeiter mit solchen Mitteln vorgeht, verliert sie jeden Anspruch, als moralische Kontrollinstanz der Gesellschaft zu fungieren. Dies erst recht, wenn unter Ausnutzung von Gesetzeslücken Unternehmensstrukturen so gestaltet werden, dass die Bildung von mitbestimmungsfähigen Betriebsräten faktisch unmöglich wird und Journalisten in eine rechtlose und wehrlose Lage gebracht werden. Diesem sogenannten Klassenkampf mit dem Handelsregister muss die Politik schnellstens einen Riegel vorschieben, ehe das Beispiel Volksstimme bundesweit Schule macht.“
Gajowski und Kopp forderten die Volksstimme-Führung auf, schnellstens einen Sozialplan zu verhandeln, um nicht auch noch den letzten Rest an Glaubwürdigkeit in der Öffentlichkeit zu verlieren.
Bereits durch den rücksichtslosen Umgang der Geschäftsführung gegenüber Gewerkschaftern und Betriebsräten habe das Image der Zeitung im vergangenen Jahr erheblichen Schaden genommen. Haltlose Abmahnungen und Gehaltskürzungen für Betriebsratsmitglieder und Informationsverweigerung gegenüber der Arbeitnehmervertretung gehörten nach Angaben des Betriebsrates zur Tagesordnung. Vorläufiger Höhepunkt dieser Aktivitäten war die Aussperrung des DJV-Landesvorsitzenden Uwe Gajowski am 13. November 2012, als dieser an einer angemeldeten Betriebsratssitzung bei der Volksstimme teilnehmen wollte.
Der DJV hatte nach diesem Vorfall Strafanzeige gegen Volksstimme-Geschäftsführer Klaus Lange und Volksstimme-Chefredakteur Alois Kösters wegen Behinderung der Betriebsratsarbeit (§119 Betriebsverfassungsgesetz) erstattet. Die Staatsanwaltschaft Magdeburg hat ein Ermittlungsverfahren gegen beide eingeleitet (Az: 624 Js 37239/12).
Laut Gesetz kann die Behinderung der Betriebsratstätigkeit mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft werden.“
Ergänzung: Bericht dazu bei MDR Sachsen-Anhalt (24.01.2013)