Als ich vor 40 Jahren bei der Zeitung angefangen habe, da gab es noch so etwas wie einen Redaktionsschluss, da gab es noch einen Setzer, der die Rechtschreibung korrigiert hat. Es gab noch einen sehr direkten Kontakt zwischen Journalisten und Publikum. Allerdings was es damals eher eine Einbahnstraßen-Kommunikation. Man hat etwas Journalistisches geschaffen, hat es gesendet, und das Publikum hat es gehört, gelesen oder angesehen. Heute sind es mindestens zwei Bahnen. Durch die digitale Revolution sind die Menschen heute in der Lage, ganz schnell zu reagieren, Anstöße zu geben, in Interaktion zu treten. Eine weitere Veränderung ist, dass vor 50 Jahren der Journalistenberuf angesehener war, manchmal hat man sogar zu viel hochgeguckt. Heute wird die journalistische Arbeit nach meiner Meinung oft zu wenig wertgeschätzt. Viele Menschen können sich nicht vorstellen, wie viel Arbeit, wie viel Handwerk, Recherche und Investitionen hinter guter journalistischer Arbeit stecken. Dann fällt es auch schwer einzusehen, warum man für journalistische Arbeit Geld bezahlen soll – das macht allen Medien zu schaffen. […]
Jede Zeit hat ihre Perspektiven. Der Bereich des Reportierens – also das Funkhaus oder das Verlagshaus verlassen und unter die Menschen gehen, das aufnehmen, was los ist, zuhören –, das war früher weiter verbreitet. Man hat sich auch mehr Zeit genommen für die Arbeit an einem Artikel oder einem Beitrag. Die hohe Frequenz, der schnelle Takt, 24 Stunden zu berichten, ist zulasten der Nahbarkeit und der intensiven Auseinandersetzung mit den Verhältnissen gegangen.
Stefan Raue, www.berliner-zeitung.de, 06.04.2024 (online)