Zitiert: Wie Dialoge dem Machterhalt statt der gesellschaftlichen Veränderung dienen

Über Jahrzehnte meinten die Repräsentanten der demokratischen Öffentlichkeit ein Mittel gegen die Partikularisierung gesellschaftlicher Auseinandersetzungen zu besitzen. Sie forderten den Dialog, sie inszenierten den Dialog, und sie ließen sich bei der Finanzierung der vielen Dialoge nicht lumpen. Hin und wieder wird der Dialog immer noch beschworen. Insgesamt jedoch scheint diese Form der Vergesellschaftung von Konflikten ihre besten Zeiten hinter sich zu haben. Das liegt nicht nur daran, dass der Dialog unter den Voraussetzungen harter Gegensätze nur schlecht bestehen kann. Es liegt vor allem daran, dass er so abgenutzt wurde, dass die Heuchelei der Macht, von der die meisten Dialoge vorangetrieben wurden, allgemein sichtbar wurde. Denn was tat ein aus politischen Gründen inszenierter Dialog anderes, als jeden Interessenkonflikt in ein ewig schwebendes, vermeintlich unangreifbares Verfahren mit immer wieder neu gegebenen, aber nie erfüllten Versprechen zu verwandeln? Die Kultur des Dialogs produzierte vor allem eines: mehr Dialoge. Sie war ein gefräßiges Wesen, das die von ihr vertilgten Gegenstände weitgehend unverdaut wieder ausstieß.

Thomas Steinfeld, sueddeutsche.de, 22.09.2020 (online)

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Gut zur Entgiftung des öffentlichen Diskurses wäre es, auch in den Beiträgen jener, die anders denken als man selbst, die klügsten Gedanken zu suchen, nicht die dümmsten. Man läuft natürlich dann Gefahr, am Ende nicht mehr uneingeschränkt Recht, sondern einen Denkprozess in Gang gesetzt zu haben.   Klaus Raab, MDR-Altpapier, 25.05.2020, (online)    
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Auf seinem YouTube-Kanal „Ryan ToysReview“ testet der kleine Amerikaner Ryan seit März 2015 allerhand Spielzeug. Die Beschreibung des erfolgreichen Channels ist simpel: „Rezensionen für Kinderspiele von einem Kind! Folge Ryan dabei, wie er Spielzeug und Kinderspielzeug testet.“ Ryan hat 17 Millionen Abonnenten und verdient 22 Millionen Dollar im Jahr. Berliner Zeitung, 04.12.2018 (online)