Strukturelle Kopplungen zwischen Medien, die möglichst unabhängig sein sollen, und gesellschaftlich machtvollen Feldern wie Politik und Wirtschaft sollten als grundlegendes Problem debattiert werden: Zum in der Tendenz besonders in Ostdeutschland sinkenden Vertrauen in etablierte Medien trägt nicht zuletzt dieser Aspekt bei. Dieser strukturellen Kopplungen und damit Beschränkungen sollten wir uns deutlicher bewusstwerden. Wir sollten versuchen, Medien dagegen auf neue Weisen zu vergesellschaften.
Dafür gab es während der Wendezeit in der DDR unter anderem an dortigen „Runden Tischen“ sinnvolle Impulse, die leider gesamtdeutsch kaum oder gar keine Chancen bekamen. […]
Frau Vernau ist mit Ausnahme ihrer Promovierung an der Uni Potsdam nicht nur eine lupenreine Westfrau mit entsprechenden offenbar guten Vernetzungen und vom WDR, Medienberichten zufolge war sie auch eine Vertraute des dortigen Intendanten Tom Buhrow.
Frau Vernau ist bezüglich der strukturellen Kopplungen in Richtung Wirtschaft zudem auch eine in Wirtschaftskreisen anscheinend hoch angesehene Managerin, die viele Jahre als Partner in der Unternehmensberatung Roland Berger tätig war.
Hinzu kommt, dass sie mit Blick auf die strukturellen Kopplungen in Richtung Regierungspolitik, was die SPD-geführten Landesregierungen in Berlin und Brandenburg angeht, 2011 als Parteilose beinahe für die SPD in Baden-Württemberg Ministerin geworden wäre, dank ihres Platzes im Schattenkabinett von Nils Schmid.
Dorette König (amtierende Vorsitzende des RBB-Verwaltungsrats und eines der drei Mitglieder der Findungskommission, die Frau Vernau favorisierten) würdigte die neue Intendantin geradezu euphorisch als „exzellente Managerin“ – ohne anscheinend auch nur ansatzweise darüber reflektiert zu haben, dass journalistisch-publizistische Kompetenz mit Blick auf die Region Berlin-Brandenburg und eine damit verbundene größtmögliche wirtschaftlich-politische Unabhängigkeit ja vielleicht auch Auswahlkriterien hätte sein können.
Stattdessen scheint nun Katrin Vernau auf ihre Weise sogar noch mehr als ihre Vorgängerin das Problem struktureller Kopplungen zwischen Medien und Politik/Wirtschaft zu verkörpern – Akkumulation verschiedener Kapitalsorten sozusagen auf erweiterter Stufenleiter. […]
Was bleibt (zu tun)? Nun, etwa strukturelle Demokratisierungen nicht zuletzt der Medien: Räte des Publikums und Räte der Mitarbeitenden könnten im progressiven Sinne zu Vergesellschaftung – nicht Verstaatlichung! – beitragen.
Sebastian Köhler, Telepolis, 8.9.2022 (online)