Wir dürfen nicht vergessen, dass der allergrößte Teil in unserem Land – weit über 90 Prozent – Social Media gar nicht so nutzt wie Sie und ich oder junge Aktivisten und Aktivistinnen. Die meisten Leute haben gar keine Zeit, tagelang im Internet zu verbringen, um sich zu jeder einzelnen politischen Frage zu äußern. Wir sind sehr stark getrieben von bestimmten Gruppen. Wir haben zwei Diskurse parallel laufen. Wir haben einen digitalen Diskurs, der manchmal in die öffentlichen Medien hineinsickert. Die Informationen aus den digitalen Diskursen nehmen dann Einfluss auf die öffentliche Meinung. Wir haben aber auch gleichzeitig den großen journalistischen, politischen Komplex, angebunden daran die große breite Öffentlichkeit, die gar nicht viel auf Social Media wahrnimmt. Und da ist der Diskurs eben anders. […]
Man darf die Größenordnungen nicht falsch einschätzen. Die Tagesschau hat in bestimmten Situationen bis zu elf Millionen Zuschauer. Diese brutalen Bilder, die von Staats- und Terrorpropaganda und von Aktivismus überlagert sind, werden gar nicht von den 11 Millionen Menschen wahrgenommen oder von den 82 Millionen in Deutschland. (…) Ich werde immer von Journalisten gefragt: Wie kann es sein, dass so viele Leute polarisiert sind? Aber es ist eben nicht so. Es stimmt einfach nicht. Über 90 Prozent der Leute nutzen das nicht, schätzen das nicht und beziehen sich nicht darauf. Es sind nur kleine Gruppen, die sehr laut sind und sehr viel kommunizieren.
Nikolaus Jackob, wdr.de, 15.06.2025 (online)