Westliche Interessen und menschliches Leid in Kriegen – wenn eine Ohrfeige bei einer Preisverleihung wichtiger wird als ein Bürgerkrieg. Wie sich Berichterstattung ausrichtet.
Aktuell wird über die militärischen Auseinandersetzungen mit den Huthi-Rebellen im Jemen berichtet. In den Nachrichten spielte das Land vor den Angriffen auf Handelsschiffe, die das Rote Meer durchquerten, aber kaum eine Rolle und das, obwohl die Vereinten Nationen die Lage im Jemen seit Jahren als „schlimmste humanitäre Krise weltweit“ bezeichnet haben.
Zahlreiche Kriege und Katastrophen, die sich im Globalen Süden ereignen, finden abseits der öffentlichen Aufmerksamkeit statt. Woran liegt das? […]
Zwei Jahrzehnte Krieg seit dem Aufstand der Huthi gegen die Regierung im Jahr 2004 haben das Land in Trümmer gelegt. 2017 wurde der Jemen von der größten jemals gemessenen Choleraepidemie heimgesucht, Schätzungen zufolge starben infolge des Bürgerkriegs alleine bis Ende 2021 ca. 377.000 Menschen.
Bis heute sind laut Unicef drei Viertel der Bevölkerung auf humanitäre Unterstützung angewiesen. Über eine halbe Million Kinder unter fünf Jahren sind lebensbedrohlich mangelernährt. Die Vereinten Nationen stuften die Lage im Jemen seit Jahren als „schlimmste humanitäre Krise weltweit“ ein.
Offensichtlich haben das Leid und die humanitäre Katastrophe im Land aber nicht ausgereicht, um medial ernsthaft thematisiert zu werden. […]
Die Liste der medial vernachlässigten Krisen, Kriege und Katastrophen ließe sich leicht verlängern. Die Hilfsorganisation Care hat im Januar 2024 einen Bericht mit den zehn am stärksten vernachlässigten Krisengebieten veröffentlicht, die alle in Afrika liegen. […]
Es scheint also, dass hinsichtlich der Frage, ob über einen Krieg berichtet wird oder nicht, ausschlaggebend ist, ob ein Staat des Globalen Nordens an diesem beteiligt ist.
Kriege ohne unmittelbare Auswirkungen auf den Globalen Norden, seien sie aus humanitären Gesichtspunkten auch noch so tragisch, werden in der Regel in den Nachrichten nur äußerst peripher registriert.
Ladislaus Ludescher, Telepolis, 06.03.2024 (online)