Wenn sich also etwas von jenen Ländern lernen lässt, wenn sich Lehren ableiten lassen vom Aufstieg und Scheitern der Rechtspopulisten, dann sind es nach Krastev keine Mikro-Erkenntnisse über die perfekte Arbeitsmarktpolitik, dafür sind die Länder viel zu unterschiedlich. „Viel wichtiger ist es, die richtigen Fragen zu stellen, anstatt immer so zu tun, als wisse man die Antwort“, so Krastev. Die richtige Frage wäre eben nicht die Suche nach Abwehrtaktiken gegen rechts, weil sich so eine Polarisierung verstärkt, von der wiederum die Rechten profitieren.
Viel wirkungsvoller seien Fragen nach einem neuen sozialen Konsens, denn da sehen die Rechten besonders alt aus. Die polnische PiS-Partei etwa verlor auch deshalb, weil sie das Abtreibungsrecht verschärfte, ein ideologisches Herzensthema Jarosław Kaczyńskis, aber ein Eingriff in die Leben von Millionen polnischer Frauen. Die PiS pries die Familie als höchstes Gut, aber sie nahm nicht zur Kenntnis, wie sehr diese sich verändert hat. „Nicht mal die Konservativen wollen Schwule und Lesben wieder wegsperren“, so Krastev.
Auch in der Zuwanderung könne ein neuer Ansatz weiterhelfen. Die Frage müsse nicht lauten, wer politisch verfolgt ist und was das kostet. Stattdessen müsse man sich den demografischen Realitäten alternder Gesellschaften stellen, ohne die Steuerung aufzugeben: „Die Frage muss lauten: Dürfen wir uns aussuchen, wer zu uns kommt?“
Sonja Zekri, sueddeutsche.de, 08.07.2024 (online)