Wenn zu mir ein Verlag käme und sagen würde: Mach da was mit KI, dann würde ich auf die weitere Zusammenarbeit generell verzichten. Ich bin alles andere als technikfeindlich, aber KI hat insofern nichts mit analog oder digital zu tun. Technisch ist KI ja die Idee von einem Durchschnitt. Ich nehme Bezugspunkte und extrapoliere da ein auf Wahrscheinlichkeiten beruhendes pseudoneues Ergebnis. Das gilt besonders für Bilder. Jedes KI-Modell, das ich kenne, basiert auf geklautem Material. Theoretisch könnte ich zwar sagen: Ich nehme meine eigenen Bilder und mach daraus eine KI. Das wäre zwar kreativ langweilig, aber zumindest moralisch okay. […]
Und jeder, der die Modelle nutzt, muss das wissen. Wenn ausgerechnet Verlage, deren Job es ist, Kreativität zuzulassen, darauf zurückgreifen, ist das ein Desaster. Kürzlich habe ich Theaterplakate gesehen, die eine KI entworfen hat. Das geht absolut nicht. Klar ist aber auch: Die KI liefert Stück für Stück bessere Qualität. Und sie wird die Welt so mit ihren Bildern überschwemmen, dass wir nicht mehr wissen, wo oben und unten ist. Die Sensibilität für gute, authentische Bilder wird dadurch sicher nicht besser. Außerdem gibt es natürlich den Kostendruck: Die Dinger sind halt umsonst. Das ist auch unser Job: Wir Illustratoren und Künstler müssen den Menschen gute Gründe geben, warum sie zu uns kommen sollen anstatt zu Midjourney und Co.
Christoph Niemann, sueddeutsche.de, 17.01.2025 (online)