Das eigentliche Problem besteht jedoch darin, dass die Techkonzerne ihre Monopolstrukturen erstmals im größeren Umfang als Kriegsmittel einsetzen. Die einschneidenden Maßnahmen sind zudem, obwohl sie entscheidenden Einfluss auf das Kriegsgeschehen haben können, in keiner Weise demokratisch legitimiert. Damit erweisen sich die Konzerne einmal mehr als eigenmächtig agierende supranationale Institutionen jenseits politischer Kontrolle.
Ihre gegenüber Russland zur Schau gestellte Macht ist gewaltig: Die Konzerne haben eindrucksvoll gezeigt, dass sie einen großen Wirtschaftsraum effektiv sanktionieren können. Und sie scheuen nicht davor zurück, dafür politische Ziele ins Feld zu führen.
Auch wenn diese Ziele in diesem Fall darin bestehen, eine brutale Invasion zu stoppen und Leben zu retten, so ist doch nur zu hoffen, dass diese Form der digitalen Kriegsführung mit Hilfe des Silicon Valley nicht Schule macht – zumal deren Erfolg überaus fragwürdig ist. Denn Sanktionsmaßnahmen der Konzerne machten es Putin allzu leicht, den Zugang zu Facebook, Instagram und Twitter in Russland komplett zu sperren und den Meta-Konzern als „extremistische Organisation“ verbieten zu lassen. Russische Bürgerinnen und Bürger können sich nun nicht mehr über deren Kanäle – und damit an der russischen Staatspropaganda vorbei – informieren. Und auch wir erhalten so weniger Informationen aus der russischen Zivilgesellschaft und über die Antikriegsproteste.
Daniel Leisegang, blaetter.de, April/ 2022 (online)