Über betriebliche Mitbestimmung wird selten in den Medien berichtet. Dabei ist gerade der Arbeitsplatz ein zentraler Ort von politischer Bildung – und das gilt auch für Journalistinnen und Journalisten. Sucht man bei Google News, was zuletzt zum Thema betriebliche Mitbestimmung geschrieben wurde, sehen die Treffer ziemlich mau und ziemlich alt aus. […]
Der Grund ist simpel: Themen betrieblicher Mitbestimmung sind schwer zu pitchen im Redaktionsalltag, erst Recht, wenn Quoten, Klicks und Abos entscheiden, wenn am Ende die Migrationsdebatte, launige ich-Texte oder FAQs zu Geld- und Erziehungsfragen mehr Reichweite bringen als die etwa die Gründung von Betriebsräten bei Kurierdiensten und Plattform-Crowdarbeitenden. Hinzukommt: Der Wirtschaftsjournalismus liegt am Boden, ist seit vielen Jahren in der Krise. […]
Und noch einen wunden Punkt gibt es: Viele Medienschaffende kennen sich gelinde gesagt mit betrieblicher Mitbestimmung gar nicht aus. Weil sie selbst in Redaktionen ohne Betriebsräte arbeiten. […]
Und dann mangelt es auch an betrieblicher Mitbestimmung in den Redaktionen selbst, weil prekäre Arbeitsbedingungen mit Befristungen an der Tagesordnung sind. Viele Redaktionen sind Durchlauferhitzer, junge Kolleginnen und Kollegen steigen ein und rasch wieder aus, viele bleiben nicht lange. […]
Und dann fehlt es am Bewusstsein selbst. Viele Journalist*innen sind hervorragende Beobachterinnen und Beobachter. Kluge Köpfe, können tiefe Analysen schreiben, aber daran, sich selbst berufsständisch zu vertreten, tun sich viele schwer. Die “Nabelschau” eines Medienjournalismus ist immer noch verpönt.
Tina Goll, verdi.de, 23.09.2024 (online)