Dass sich sonst nicht nur in jenen Medien, die zur Zeit der Enthüllungen von Wikileaks profitierten, jetzt so wenige berufen fühlten, das Wort für ihn zu ergreifen, kommentierte Assanges Anwältin Jennifer Robinson in der „Berliner Zeitung“ mit Entgeisterung: „Ich kann nicht verstehen, warum viele Medien nicht erkennen, dass es um sie geht und dass Assange nur der Anfang ist.“ Die Gesellschaft habe sich an die schleichende Einschränkung der Pressefreiheit in den westlichen Demokratien gewöhnt – ein fataler Fehler. Gerade die Berichterstattung über Kriege zeige, dass es im Westen „viel Heuchelei“ im Hinblick auf die Rede- und Pressefreiheit gebe. Die Freiheit der Journalisten sei sehr eingeschränkt – und das Schicksal Assanges sollte der Presse vor Augen führen, dass „unabhängige Berichte aus dem Krieg ein extrem hohes Risiko für jeden einzelnen Journalisten persönlich“ seien. …
Das „Katapult Magazin“ kommentierte das Vorgehen gegen Assange vergangene Woche mit einem Schaubild: Es zeigte den Kopf des ehemaligen US-Präsidenten George W. Bush und den von Julian Assange. Bei „Drohende Haftstrafen in Jahren für Kriegsverbrechen unter seinem Oberkommando“ steht neben Bush: „0“. „Für die Aufklärung dieser Kriegsverbrechen“ neben Assange: „175“.
Julia Encke, faz.net, 30.4.2022 (online)