Seit Jahren rätseln Medienmenschen, wie man nur dieser fiesen „Polarisierung der Gesellschaft“ beikommen könnte. Sie sitzen dann immer ganz betroffen auf irgendwelchen Podien bei Medien-Tagungen herum, beklagen aufgeheizte Debatten in den Kommentarspalten oder sozialen Medien und fordern, dass es endlich wieder eine zivilisierte Diskussionskultur bräuchte.
Weil Medienmenschen aber besser in Selbstmarketing als in Selbstkritik sind, lautet der bemerkenswerte Lösungsvorschlag für diese Probleme dann oft: Journalismus. Denn der steht ja bekanntlich für ausgewogene Informationen und ausgeruhte Debatten.
Dieses Selbstbild wäre bloß ein wenig abgehoben, wenn es nicht so falsch wäre. Denn die Wahrheit ist: Medien tun zwar gerne so, als wären sie nur unfreiwillige Chronisten bereits vorhandener Konflikte, dabei sind sie es, die Konflikte mitunter erst erzeugen. Journalismus trägt selbst oft zu Polarisierung bei und dazu, dass Reizthemen in der Öffentlichkeit notorisch überpräsent sind. Und es spricht leider wenig dafür, dass in Redaktionen ehrlich über diese Rolle nachgedacht wird.
Das betrifft übrigens nicht nur Medien wie „Bild“, wo der Konflikt und die Kampagne zum ungeschriebenen Redaktionsprinzip gehören. Es geht auch um seriöse Medien, wo zwischen alten Routinen und neueren Anreizen ebenfalls Inhalte entstehen, die vor allem auf Emotionen, Empörung und Engagement setzen.
Alexander Graf, Übermedien, 03.05.2025 (online)