71,8 Prozent der Verweilzeit der hiesigen Web-Nutzer entfällt laut der Analyse auf die größten 100 Plattformen. Spiegel.de – eines der „stärksten“ deutschsprachigen journalistischen Angebote – besitze zwar eine „Nettoreichweite von beeindruckenden 49 Prozent in der deutschen Bevölkerung“. Doch die ernüchternde Nutzungsdauer betrage nur 18 Minuten – „nicht am Tag, sondern im Monat“. Diese falle im Vergleich zu den Netzwerkperformern „winzig gering“ aus.
Im digitalen Bewegtbild erziele der öffentliche Rundfunk einen Anteil der Nutzungsdauer von etwa 4 Prozent auf eigenen Domains, malt Andree die Misere aus. Der Anteil im analogen Fernsehen habe 48 Prozent betragen. In einer rein digitalen Welt wäre das gesamte duale System – also inklusive der Privatsender – relativ gesehen so unbedeutend, dass es kaum noch gesellschaftliche Relevanz besäße. […]
Bis 2029 werde der Anteil der digitalen Werbeinvestitionen auf über 63 Prozent steigen. Schon jetzt liege in westlichen Ländern der Anteil der drei größten Digitalmonopolisten – Alphabet, Meta und Amazon – an den gesamten digitalen Werbeeinnahmen zwischen 80 und 90 Prozent. Zudem besäßen die dominanten Plattformen die Kontrolle über die Ausspielung der Inhalte. Sie reduzierten Sichtbarkeiten etwa durch Filterung, Warnungen, das Löschen von Posts und Profilen oder Reichweitendrosselungen. Andererseits könnten sie Content etwa durch Empfehlungsalgorithmen nach oben spülen. Die Vorstellung einer angeblichen „Neutralität“ der Plattformen sei irreführend.
Was passiere nun, „wenn unsere Medienrealität in wenigen Jahren hauptsächlich“ von den vermeintlichen Vermittlern („Intermediären“) getragen werde, fragt Andree. Seine Antwort: Es würden „viele verfassungsrechtliche Vorgaben ausgehebelt“. Dabei gehe es etwa um Prinzipien wie Anbietervielfalt und Staatsferne sowie das diffizile, von Landesmedienanstalten und diversen Kommissionen getragene Kontrollgerüst für Presse und Rundfunk. Medien dürften auch nie von den Interessen spezifischer Gruppen beherrscht werden. In der digitalen Sphäre würden jedoch „ganze Mediengattungen von einzelnen Tech-Riesen kontrolliert“, wodurch sie „ihren privatwirtschaftlichen Interessen ausgeliefert“ seien.
Stefan Krempl, Telepolis, 05.01.2025 (online)