Die wohl wichtigste Information, dass sämtliche Provider verpflichtet werden, weite Teile ihres Datenverkehrs auf Vorrat zu speichern und mit Algorithmen zu durchsuchen, ist im Text regelrecht versteckt.
Diese Methode des Verschleierns kritischer Sachverhalte zieht sich wie ein roter Faden durch einen Text, der mit Allgemeinplätzen, teils irreführenden Behauptungen und Querverweisen auf 134 Seiten aufgeblasen wurde. Am auffälligsten daran ist das, was fehlt. […]
Software-Anbieter wie App-Stores werden genauso in die Pflicht genommen wie Gaming-Plattformen, die zu den Spielen auch die Möglichkeit zum Chatten bieten. Auch Anbieter von Internetzugängen und Cloud Provider müssen sich auf sogenannte „Detection orders“ vorbereiten, die von einer neu zu schaffenden EU-Behörde, die schlicht „EU-Centre“ genannt wird, ausgegeben werden. Was einen solchen Durchsuchungsbefehl auslöst, wird ebensowenig beschrieben, wie dessen Folgen. […]
Das große Schweigen über die unvermeidlichen technischen Konsequenzen im Text steht in merkwürdigem Kontrast zu den juristischen Konsequenzen. Hier wird der Text regelrecht geschwätzig und übertrifft sich in unbelegten Behauptungen, von denen eine abenteuerlicher als die andere ist. Da wird einfach so behauptet, dass diese Verordnung mit der bestehenden E-Commerce-Richtline und der neu beschlossenen Verordnung Digitale Dienste (DSA) kompatibel sei. Beide verbieten den Mitgliedsstaaten, Provider zu verpflichten, die Aktivitäten ihrer Benutzer anlasslos – also „proaktiv“ – auf mögliche strafbare Inhalte zu durchsuchen.
Erich Moechel, ORF FM4, 15.5.2022 (online)