Wer auch nur das Geringste von freien öffentlichen Diskursen versteht, der weiß, dass die Vielfalt der Ansichten die beste Voraussetzung für eine profunde und verlässliche Beurteilung ist. Wer bestimmte Meinungen per se ausschließen will (und nichts anderes beabsichtigt die Diffamierung), dem ist nicht an einem intelligenten Diskurs gelegen, der begehrt die Durchsetzung seiner sturen Haltung. … Wenn Intellektuelle einen öffentlichen Brief verfassen, tun sie das, weil sie keine andere Einflussmöglichkeit haben als ihr ehrliches Wort. Sie entscheiden ja nichts, sie halten kein wichtiges Amt inne. Ein offener Brief ist nichts anderes als eine Denkanregung; und auf diese allergisch zu reagieren, disqualifiziert nur diejenigen, die nicht denken wollen.
Ilja Trojanow, taz.de, 10.8.2022 (online)