Aber was, wenn die täglichen Pressemitteilungen nur deshalb so irreal anmuten, weil der Krieg selbst längst alle Grenzen überschreitet? Was, wenn Skepsis gegenüber den Schreckensmeldungen dazu führt, den realen Schrecken eines Krieges zu verschweigen? Was, wenn sich hinter der Warnung vor der „Propaganda“ der einen Seite in Wahrheit die Propaganda der anderen Seite verbirgt? […]
Was ist also dran an der Erzählung von den “Hamas-Angaben”, die man nicht nachprüfen kann und am besten auch nicht verbreiten sollte? Dieser Text wird zeigen: nichts. Weder handelt es sich bei den vom Palästinensischen Gesundheitsministerium (MOH) veröffentlichten Opferzahlen um “Hamas-Angaben”, noch haben sich diese im aktuellen Krieg oder in früheren Kriegen als unzuverlässig herausgestellt. […]
Woher wir das wissen? Weil die Zahlen des Gesundheitsministeriums in Gaza vielfach überprüft wurden: Von Reportern, Wissenschaftlerinnen, NGO-Mitarbeiter und vielen anderen – nur deutsche Journalisten waren nicht darunter. Die entledigen sich stattdessen seit dem 7. Oktober 2023 mit der Floskel von der angeblichen Nicht-Überprüfbarkeit ihrer eigenen journalistischen Verantwortung und stellen damit nicht nur die Glaubwürdigkeit der Zahlen aus Gaza infrage, sondern vor allem ihre eigene. […]
Seit 2007 hat die Hamas die Verwaltung des Gazastreifens inne (oder das, was Israels Besatzung und Belagerung davon übrig lässt). Vier größere Kriege führte Israel bis zum 7. Oktober 2023 dort. Immer stammten die offiziellen palästinensischen Todeszahlen aus demselben Verwaltungsapparat wie heute. Doch Begriffe wie “Hamas-Angaben” lassen sich in der Berichterstattung über frühere Kriege genauso wenig finden wie größere Zweifel an deren Glaubwürdigkeit.
Fabian Goldmann, schantall-und-scharia.de, 10.04.2025 (online)