Auch Parteien der Mitte verbreiten mittlerweile die Rhetorik, dass Migration ein „Problem“ ist, das man „lösen“ muss. Damit werden sie ihre Wähler nicht zurückgewinnen. […]
Diese Kluft zwischen den positiven Effekten der Migration und dem negativen Diskurs darüber führt zu einem medialen Teufelskreis, wie ihn der Politologe Oliviero Angeli von der TU Dresden am Beispiel der Debatte um die sogenannte Flüchtlingskrise 2015 beschrieben hat. Diese „Wirkungskette“ beginnt mit einer Art Schock, der als Krise dargestellt wird und eine erhöhte Medienpräsenz erzeugt. Verstärkte Berichterstattung und Debatte „,aktivieren‘ die in Teilen der Bevölkerung latent vorhandene Skepsis gegenüber Migration“, schreibt Angeli. Der Kreislauf wird dann von rechten Parteien verstärkt, oft durch die sozialen Medien. Davon profitieren ihre Umfragewerte, was wiederum auch in den Massenmedien eine Rhetorik erzeugt, die Migration als „Problem“ behandelt, das gelöst werden muss. Am Ende mündet diese Wirkungskette in eine restriktivere Ausrichtung der Flüchtlingspolitik.
Weil reiche Volkswirtschaften aber auf Migration angewiesen sind, um zu funktionieren, vergrößert diese Rhetorik die Kluft zwischen dem, was versprochen wird, und dem, was „geliefert“ werden kann, nur noch mehr. So geht die Story, in der Migration fast immer eine „Krise“ ist und „kontrolliert“ werden muss, immer weiter. […]
Das Rätsel ist also, warum etwas, was wirtschaftlich notwendig und sozial und kulturell vorteilhaft ist, zu einem Blitzableiter für politische Konflikte geworden ist.
Andrew Curry, faz.net, 22.07.2024 (online)