Elon Musk freilich dürfte unterwürfige Briefchen der deutschen Stützen der Gesellschaft gewohnt sein. „Warum kaufst Du nicht Twitter“, schrieb ihm Springer-Boss Mathias Döpfner seinerzeit und bot gleich an: „Wir managen es für dich“. Musk antwortete nur knapp „Interessante Idee“. Musk hatte die offenbar schon vorher, nur ohne irgendeine Rolle für Döpfner vorzusehen.
Einige Tage später, der Deal war da schon über die Bühne, fasste der Springer-Chef nach und pries seine Dienste erneut an: „Klar, lass uns gerne reden“, gab Musk nach ein paar Stunden zurück. Dann wieder eine schnörkelvolle Nachricht Döpfners, und abermals ein maximal kurzes „Klar“ zurück. Döpfner schreibt wieder, bekommt nichts zurück, säuselt und schleimt ein paar Tage später erneut: „Ich würde sehr gerne Twitters Zukunft diskutieren, wenn du bereit bist. So aufregend.“ Eine halbe Stunde später kommt laut Spiegel die letzte Antwort: „Interessant“.
Jeder Digital Native weiß natürlich: Wer elaborierte Liebes-, Bewunderungs- und Anbiederungstexte schreibt und darauf mal ein schmallippiges „klar“, mal ein kaum begeistertes „interessant“ zurückbekommt, sollte diese Nachrichten nicht buchstäblich lesen, sondern im Kontext interpretieren.
Die Botschaft ist: „Gib Ruhe, Du Nervensäge“. Früher hätte man das „zwischen den Zeilen lesen“ genannt – was natürlich hier eine unangebrachte Formulierung wäre. Musk gönnte Döpfner ja nicht mal einen Plural an Zeilen, zwischen denen man lesen hätte können. […]
Der pseudoliberale deutsche Spießer nimmt dagegen schnell die Bücklingshaltung ein. Er gibt jene Selbstachtung und Würde auf, die andere in prekäreren Positionen entgegen allen Widrigkeiten verteidigen. Man kennt es aus Literatur und Lebenserfahrung, staunt aber dennoch immer wieder aufs Neue.
Robert Misik, taz.de, 08.01.2025 (online)