Warum Udo Reiter nicht mehr für einen ARD-Jugendkanal kämpft

 

Wie man jüngere Zuschauer wieder ans Programm der öffentlich-rechtlichen Sender heranführt, diese Frage diskutiert die ARD schon über viele Jahre hinweg. Im Jahre 2008 führte die Gremienvorsitzendenkonferenz (GVK) dazu eine Tagung durch. Diese wiederholte sie im Februar 2011.

MDR-Intendant Prof. Udo Reiter forderte immer wieder, dass es ein „öffentlich-rechtliches junges Vollprogramm“ geben muss. So bezeichnete er auf einer Jugendmedienschutztagung in Erfurt im April 2008 einen eigenen Jugendsender, der sich an die Zuschauer unter 20 Jahren richte, als „naheliegend“, da mit Jugendsendungen in den normalen Programmen von ARD und ZDF Jugendliche kaum noch zu erreichen seien. „Man kann nicht auf der einen Seite

immer einen mangelhaften Informationsstand junger Leute und niedrige pädagogische Ansprüche mancher Privatprogramme beklagen und andererseits nichts dagegen tun.“ So wird er im ARD-Jahrbuch 2008 (S.22) zitiert. Seine Idee war es, einen der drei ARD-Digitalkanäle in den Jugendkanal umzuwandeln. Schon damals kam es in der ARD zu Widerspruch. Der damalige ARD-Vorsitzende und SR-Intendant Fritz Raff hielt den Jugendkanal für einen möglichen Weg, stellte aber in Frage, „ob es Sinn macht, eine gesellschaftlich relevante Gruppe in einen weiteren Spartenkanal abzudrängen.“ Mit dem Kinderkanal hatte die ARD allerdings schon mehr als 10 Jahre zuvor diese Frage beantwortet. Und so war eine Entgegnung (S. 25) des damaligen Vorsitzenden der GVK und Vorsitzenden des SR-Rundfunkrates, Volker Giersch, folgerichtig: „Natürlich kann und darf ein Jugendkanal nicht der einzige Weg sein, die jüngeren Zuschauer zurückzugewinnen. Und natürlich muss es darüber hinaus immer auch Ziel sein, jüngere Zuschauer verstärkt ins ARD-Hauptprogramm zu ziehen. Die Frage ist nur, ob eine Jugend-Strategie hinreichend erfolgreich sein kann, wenn wir den jüngeren Zuschauern nicht zugleich auch eine feste Heimat in der öffentlich-rechtlichen Medienwelt anbieten. Aus meiner Sicht zumindest ist das eine notwendige Erfolgsbedingung – natürlich aber keine hinreichende.“

 

 

Mittlerweile hat Udo Reiter seine Forderung zu den Akten gelegt. Er hält einen Fernsehsender von ARD und ZDF für Jugendliche zwar immer noch für wünschenswert, aber nicht umsetzbar. „Ein Jugendkanal wäre die Lösung“, so Udo Reiter gestern gegenüber der dpa. „Allerdings sei das medienpolitisch nicht gewollt, da er den Privatsendern ins Gehege kommen würde, die auch auf eine junge Zielgruppe setzen. Außerdem wäre der Aufbau eines neuen Senders vermutlich zu teuer. „Alles in allem eine tolle Möglichkeit – es bleibt aber eine Illusion“, berichtet digitalfernsehen.de.

Doch das ZDF hat sein Projekt ‚Junges Fernsehen‘ bereits vorangetrieben; erst vorvergangene Woche ging mit dem neuen Kanal ZDF.kultur ein musik- und jugendaffines Programm fürs jüngere Publikum on-air, schreibt kress.

Zudem steht nicht die gesamte Medienpolitik gegen einen Jugendkanal. So hatte der Chef der rheinland-pfälzischen Staatskanzlei, Martin Stadelmeier, der auch die Medienkommission der Länder koordiniert, sich mItte April für einen ARD-Jugendkanal ausgesprochen. Dieser Kanal solle als Jugendprogramm für 14- bis 25-Jährige die Lücke zwischen dem Kinderkanal Kika und ZDF Neo schließen.

Und am fehlenden Geld kann es auch nicht liegen. Wer mehr als 10 Mio. Euro für eine neue Talkshow aufbringen kann, wer seit Jahren die Mittel für die Sportrechteagentur erhöht, der könnte auch Mittel für einen Jugendkanal freisetzen. Es ist eine Frage, welche Prioritäten man setzt.

Der Grund liegt also eher in der ARD. Schließlich sprachen sich auch andere Intendanten für einen Jugendkanal aus. Der Intendant des SWR, Peter Boudgoust, hatte zu Jahresbeginn noch einmal für einen ARD-Jugendkanal plädiert, nachdem sich WDR-Intendantin Monika Piel zu Beginn ihrer Amtszeit als ARD-Vorsitzende (diese Funktion hatte sie gerade von Peter Boudgoust übernommen) gegen einen Jugendkanal ausgesprochen hatte. Ihrer Meinung nach sei ein Teil der Jugendlichen nicht mit Programmformaten, die öffentlich-rechtlichen Standards genügen, zu erreichen.

Es gab in der ARD eine Arbeitsgruppe, die an einem Konzept für einen Jugendkanal gearbeitet hat. So sollte aus den beiden von WDR und SWR verantworteten Digitalkanälen ein Jugendprogramm entwickelt werden. Das Konzept war auf Arbeitsebene abgestimmt. Es gab die Zustimmung der Fernsehdirektoren. Es scheiterte jedoch an den Intendanten, da sich WDR und SWR nicht über die Federführung einigen konnten, da daran auch finanzielle Ressourcen und Produktionskapazitäten hängen. „Für die Zuschauer ist die geplatzte Fusion dennoch eine schlechte Nachricht: Weil die ARD nach wie vor erklären muss, warum sie zwei Digitalsender braucht, um sich zu verjüngen, anstatt die Kräfte in einem Programm zu bündeln, das als ZDFneo-Pendant wahrgenommen werden könnte.“ So Peer Schrader in der Berliner Zeitung („SWR und WDR lassen die Fusion der ARD-Digitalsender Eins Plus und Eins Festival im letzten Moment platzen.“)

Fazit: In der ARD gab es immer wieder Initiativen für ein Jugendprogramm als Spartenprogramm. In der ARD wurde ein Konzept für ein Jugendprogramm entwickelt. Als dieses Konzept in der ARD aus „Anstaltsegoismus“ gescheitert war, wurde von der ARD-Vorsitzenden und WDR-Intendatin Monika Piel der ARD-ZDF-Jugendkanal ins Gespräch gebracht.

Und Udo Reiter? Er will für seine Idee nicht mehr kämpfen. Anscheinend sieht er keinen Weg, alle seine Intendanten-Kollegen zu überzeugen.

Onlinefilm.org

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Gut zur Entgiftung des öffentlichen Diskurses wäre es, auch in den Beiträgen jener, die anders denken als man selbst, die klügsten Gedanken zu suchen, nicht die dümmsten. Man läuft natürlich dann Gefahr, am Ende nicht mehr uneingeschränkt Recht, sondern einen Denkprozess in Gang gesetzt zu haben.   Klaus Raab, MDR-Altpapier, 25.05.2020, (online)    
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Auf seinem YouTube-Kanal „Ryan ToysReview“ testet der kleine Amerikaner Ryan seit März 2015 allerhand Spielzeug. Die Beschreibung des erfolgreichen Channels ist simpel: „Rezensionen für Kinderspiele von einem Kind! Folge Ryan dabei, wie er Spielzeug und Kinderspielzeug testet.“ Ryan hat 17 Millionen Abonnenten und verdient 22 Millionen Dollar im Jahr. Berliner Zeitung, 04.12.2018 (online)