Untertitelung bei ARD und ZDF bringt nicht jedem „Behinderten“ etwas

„Die ARD ist ihrem Ziel, Menschen mit Behinderungen möglichst viele Sendungen zugänglich zu machen, einen großen Schritt nähergekommen. Rund 93 Prozent des Angebots im Ersten sind inzwischen mit Untertiteln für gehörlose und schwerhörige Menschen versehen. Damit konnte die Untertitelquote seit 2012 nahezu verdoppelt werden. Auch alle Landesrundfunkanstalten haben in ihren Dritten Programmen weitere Fortschritte erzielt und ihr Angebot nachhaltig ausgeweitet“, erklärte ARD-Vorsitzender Lutz Marmor im November 2014.

Die Ausweitung dieser Angebote wurde und wird immer wieder angeführt, wenn über die Beitragsfreiheit für Behinderte diskutiert wird. Schließlich waren diese jahrelang von der Rundfunkgebühr befreit. Erst seit dem 1. Januar 2013 müssen die bisher dahin von der Rundfunkgebühr befreiten Menschen mit Behinderungen den ermäßigten Beitrag von 5,99 EUR pro Monat bezahlen.

 

Doch bringt denn diese Untertitelung allen nunmehr zahlpflichtigen Behinderten auch etwas?

Im Jahr 2014 wurde 505.506 Personen eine Ermäßigung gewährt. Davon entfallen 209.397 (41,42 %) auf den Grund „blinde / gehörlose Menschen RFMerkzeichen“ (§ 4 Abs. 2 Nr. 1-2 RBStV) und 296.109 (58,58 %) auf den Grund „behinderte Menschen RFMerkzeichen“

(§ 4 Abs. 2 Nr. 3 RBStV). Das bedeutet, dass nur etwas mehr als 40 Prozent von dieser zusätzlichen „Leistung“ profitieren. Die anderen müssen nur mehr zahlen. Sie haben allerdings einen „Nachteilsausgleich“ verloren. Denn über 60 Jahre hinweg war ein Teil der Menschen mit Behinderungen befreit. Um diese beitragspflichtig zu machen, bezog man sich auf ein Urteil des Bundessozialgerichts aus dem Jahre 2000. Doch warum ließ man sich dann 12 Jahre Zeit, dieses umzusetzen? Noch im Jahre 2004 hieß es von Seiten der Ministerpräsidenten, es gebe eine „generelle Berechtigung“ an dieser Gebührenbefreiung festzuhalten?

 

Hätten die Sender zudem nicht schon früher die Untertitelung ausbauen müssen. In Artikel 3 Absatz 3 Grundgesetz ist festgehalten: „Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.“ Wenn man bestimmte Angebote des öffentlich-rechtlichen Rundfunks nicht nutzen kann, wird man benachteiligt. Dabei ist erst einmal unerheblich, ob man auch eine Rundfunkgebühr bezahlt. Schließlich war man vom Gesetzgeber über 50 Jahre lang davon befreit. Der öffentlich-rechtliche Rundfunk hat eine der Demokratie „dienende“ Funktion. Er soll informieren, zu Bildung und Kultur beitragen, die öffentliche Meinungs- und Willensbildung befördern. Wenn Menschen mit Behinderungen seine Angebote nicht nutzen können, benachteiligt er diese doppelt. Er schließt sie nicht nur von seinen Angeboten aus, sondern er behindert auch ihre Möglichkeiten, sich genauso gut informiert wie Nicht-Behinderte an der Meinungs- und Willensbildung beteiligen zu können.

 

 

Daten aus dem Geschäftsbericht des Beitragsservice 2014 (pdf)

 

 

Weitere Beiträge dazu:

 

Rundfunkbeitrag (II): Mythen in der aktuellen Diskussion um den Rundfunkbeitrag (online)

 

Faktencheck: Diskussion zum Rundfunkbeitrag (online)

 

Warum die Sender schon früher in die Untertitelung hätten investieren müssen (online)

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Gut zur Entgiftung des öffentlichen Diskurses wäre es, auch in den Beiträgen jener, die anders denken als man selbst, die klügsten Gedanken zu suchen, nicht die dümmsten. Man läuft natürlich dann Gefahr, am Ende nicht mehr uneingeschränkt Recht, sondern einen Denkprozess in Gang gesetzt zu haben.   Klaus Raab, MDR-Altpapier, 25.05.2020, (online)    
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