Transparenz: Warum man das Hörspielangebot der ARD-Anstalten nicht miteinander vergleichen kann

Ausschnitt aus einer Rede von Uwe Kammann beim „Festival Radiozukunft“, das vom 7. bis 10. März an der Berliner Akademie der Künste stattfand:

 

„Ich selbst übertrage diese vermutete Anklage mal stellvertretend auf den öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Einfach, indem ich die vielfach zu hörende Vermutung mal als Ausgangspunkt nehme, dass das Hörspiel und akustische Kunst nicht nur eine bedrohte Gattung sind, wie es das Programmheft dieser Tagung ja auch andeutet, nein, sondern sogar eine akut gefährdete.

 

Weniger Etats, weniger Neuproduktionen, weniger Sendeplätze, das ist die Trias der Klage. Vor allem extern, aber auch senderintern. Allerdings, es gab auch Hörspielredakteure, die bei der Recherche abwinkten: nein, bitte nicht wieder das alte Lamento. Ja, es werde schwieriger, es gebe gehörigen Spardruck. Aber Untergangsszenarien und Verfallsgeschichten der Rahmenbedingungen beim Hörspiel: nein, bitte nicht schon wieder dieser ewige Singsang.

Ich spitze zu, ja. Aber anderes als verstärken oder verschlanken kann ich hier nicht. Denn das rechte Maß zu bestimmen – ich meine, das der Fakten – erweist sich als äußerst schwierig. Deshalb würde ich viel lieber über ästhetische Entwicklungen und Audiodiskurse und neue intermediale Spieltendenzen sprechen als… nein, die Träumerei lasse ich. Verbunden mit einer Warnung: das Zahlenspiel ist nicht minder spekulativ. Denn: D i e Zahlen, felsenfest und bestens vergleichbar, die gibt es nicht.

Weil jeder Sender in Maßen – erlauben Sie mir das Wortspiel – anders zählt und rechnet, damit auch jede Hörspielabteilung. Freie Mittel und Personalaufwand, Produktionsanteile und Technikzuordnungen, Overhead und Undercover: all das scheint unablässig zwischen allen Himmelsrichtungen zu tanzen.

Aber ich bekam Hilfe, für die ich sehr dankbar bin. Denn dank des neuen ARD-Federführers, des Norddeutschen Rundfunks, kam dann im Zusammenspiel mit den Hörspielabteilungen doch noch eine Zahlensammlung zusammen, auf die ich bauen konnte – auch wenn mich genau zu dem Zeitpunkt die Grippe erwischte.

Egal, die Eckdaten wanderten in eine Aufstellung, die erstmals Übersicht versprach. Und auch brachte. Wenn auch wieder nur mit gehörigem Relativitätsfaktor. Denn zu den sauber aussehenden Eckzahlen – jährliche neue Eigenproduktionen und die Zahl der Sendeplätze pro Anstalt, und das in den Jahresstufen 2000, 2005 und 2012 – kamen eine ganze Reihe von Erläuterungen, sagen wir, das sogenannte Kleingedruckte. Das aber, wie im richtigen Leben, eine Menge an Sprengkraft hat.

Es musste auch bereinigt werden, weil beispielsweise ein Fünf-Minuten-Kurzhörspieltermin natürlich keinen 90-Minüter à la internationaler digitaler Radiokunst ersetzen kann. Beziehungsweise: Ersetzen kann er ihn schon – aber dann ist der Platz eben ein ganz anderer, dann hat auch die entsprechende Eigenproduktion einen ganz anderen Charakter. …

 

Lassen Sie mich zunächst die addierten Basiszahlen für alle Sender der ARD und für Deutschlandradio/Deutschlandfunk nennen: Im Jahr 2000 gab es 553 Neuproduktionen, 2005 waren es 562, und dann, 2012, sackte diese Zahl auf 518 Neuproduktionen. Das entspricht einem Minus von rund sechs Prozent in diesem Zwölf-Jahres-Zeitraum.

Bei den Sendeplätzen ergibt sich folgendes Bild: Im Jahr 2000 standen 2.513 Sendeplätze zur Verfügung, fünf Jahre später gab es einen leichten Rückgang um knapp zwei Prozent auf 2.459 Plätze. Und noch mal sieben Jahre später verminderte sich die Zahl der Sendeplätze auf 2.226. Das entspricht einem Minus von rund elf Prozent.

Aus diesem ersten Vergleich kann man ablesen: Die Negativentwicklung bei den Neuproduktionen fiel – relativ gesehen – geringer aus als die bei den Sendeplätzen. Aber die Parallelität könnte ein erstes Indiz dafür sein, dass hier Sparmaßnahmen greifen. Die absoluten Zahlen bei den Sendeplätzen lassen sich auch nur indirekt als Messlatte anführen, sie sind vor allem ein Indikator fürs Genre-Interesse auf Senderseite. Ansonsten aber gilt:

Vorhandene Plätze, egal in welcher Zahl, lassen sich natürlich füllen. Wenn es keine Neuproduktionen, egal welcher Herkunft, sind, dann bieten sich Wiederholungen und vermehrte Übernahmen an. Sprich: Das, was auf die Teller kommt, hat eine andere Zusammensetzung, erst einmal unabhängig von der Qualität der Gerichte.“

 

 

 

epd Medien, 22/2013, S. 3

 

Vortrag von Uwe Kammmann zum Nachören

 

Onlinefilm.org

Zitat der Woche
Gut zur Entgiftung des öffentlichen Diskurses wäre es, auch in den Beiträgen jener, die anders denken als man selbst, die klügsten Gedanken zu suchen, nicht die dümmsten. Man läuft natürlich dann Gefahr, am Ende nicht mehr uneingeschränkt Recht, sondern einen Denkprozess in Gang gesetzt zu haben.   Klaus Raab, MDR-Altpapier, 25.05.2020, (online)    
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Auf seinem YouTube-Kanal „Ryan ToysReview“ testet der kleine Amerikaner Ryan seit März 2015 allerhand Spielzeug. Die Beschreibung des erfolgreichen Channels ist simpel: „Rezensionen für Kinderspiele von einem Kind! Folge Ryan dabei, wie er Spielzeug und Kinderspielzeug testet.“ Ryan hat 17 Millionen Abonnenten und verdient 22 Millionen Dollar im Jahr. Berliner Zeitung, 04.12.2018 (online)