Rundfunkbeitrag soll auch „dem Netz dienen“ – Diskussion um Verteilung und Verwendung des Rundfunkbeitrags

Andreas Gries macht sich Gedanken darüber, wie „die Online-GEZ aussehen könnte“. Dabei geht es ihm nicht darum, wie die GEZ bzw. deren Nachfolgerin als Behörde arbeiten soll. Vielmehr macht er Vorschläge, wofür die Einnahmen dienen können. „Ein Modell: Man rundet die Gebühr von 17,98 Euro auf den glatten Betrag von 20 Euro pro Monat auf. Ja, das ist mehr Geld. Die etwa zwei Euro mehr sind im Übrigen die Mindesthöhe beim Flattrn zudem wäre das nur etwa ein Kafee to go außer Haus – pro Haushalt.“ Von diesen 2 Euro Mehreinnahmen werden 75 Prozent entsprechend der Unique User laut AGOF unter allen Teilnehmern sowie die restlichen 25 Prozent über einen „GEZ-Button“ ähnlich Flattr ausgeschüttet.

 

Die Angebote von ARD, ZDF und Dritten sollen erst einmal nicht mit einbezogen werden, da diese über die sonstigen Gebühren bereits abgegolten sind. „Perspektivisch sollten sie aber auch in die andere Gruppe rutschen, der Gebühr-Anteil für online könnte dann höher als zwei Euro liegen. Denn der Online-Part würde dann alle Online-Angebote umfassen (also auch die der Öffentlich-Rechtlichen), der Part für die Öffentlich-Rechtlichen nur noch deren TV- und Radio-Angebot. Außerdem sollten im gleichen Schritt – gleiches Recht für alle – die Beschränkungen für die Öffentlich-Rechtlichen (Stichworte: Depublizieren, nicht zu presseähnlich, etc.) wegfallen.“ Sein Fazit: „Von einer Online-GEZ könnten also viele profitieren, ohne, dass sie jemanden weh tut. Politisch wäre sie, richtig angepackt, durchaus mehrheitsfähig. Dafür müssten die Verlage aber etwas beisteuern. Diesen Weg will man offenbar nicht gehen.

In eine ähnliche Richtung argumentiert Wolfgang Michal auf Carta. Er stellt fest:  „Die neue Kulturflatrate a la „Rundfunkbeitrag“ ist heftig umstritten. Denn sie wird dem Strukturwandel der Öffentlichkeit nicht gerecht. Die Haushaltsabgabe darf nicht nur die alten Strukturen finanzieren. … Es gibt in einer entwickelten Demokratie mit 80 Millionen Sendern und Empfängern keinen vernünftigen Grund mehr, die Entwicklungsgarantie für das öffentlich-rechtliche System mit der Konservierung der alten Rundfunkstrukturen gleichzusetzen. “ Und er fragt: „Warum sollten nicht neue Anbieter aus der Mitte der Gesellschaft auf den Plan treten und frische – nicht von den bestehenden Anstalten genehmigte – Programmformate einspeisen? Warum sollte es keine selbstständigen Internetsender geben, die einen entsprechenden Anteil am Haushaltsabgabe-Kuchen beanspruchen können? Ob man diese Pluralisierung über einen Rundfunkfonds oder über ein Netzmedienfördergesetz erreicht, ist dann zweitrangig.“ Er fordert: „die Haushaltsabgabe (die ja in Wahrheit eine Kulturflatrate ist) muss anders verteilt werden. Der Rundfunk im Netz hat ein Anrecht darauf.“

Auch Thierry Chervel schreibt im perlentaucher, dass „die Idee eines  öffentlich-rechtlichen Journalismus im Zeitalter der Digitalisierung“ neu  formuliert werden muss.  Es sei „das Öffentlich-Rechtliche von den Anstalten“ zu befreien. Und er meint damit, dass man die Rundfunkbeitragseinnahmen auch für andere Angebote, die öffentlich-rechtlichen Ansprüchen genügen, einsetzen soll. Schon vor zwei Jahre hatte er gefragt, warum nicht auch Internetangebote aus der Rundfunkgebühr finanziert werden. Im Jahre 2009 hatte er im Zusammenhang mit der Diskussion um die Kulturflatrate darauf aufmerksam gemacht, dass es diese mit der Rundfunkgebühr bereits schob gibt. Sein Vorschlag: Stiftungen sollten einzelne Sende- oder Medienprojekte ausschreiben. Denn: „Alle Medien wären dann frei, sich darauf zu bewerben, die neu gefassten Strukturen der Öffentlich-Rechtlichen ebenso wie Zeitungskonzerne oder Internetmedien. An die Stelle einsamer Intendanten-Entscheidungen, die von Rundfunkräten abgenickt werden, solange der Parteienproporz gewahrt ist, träte eine gesellschaftliche Diskussion über die Relevanz von Formaten und Inhalten.“

Der Verein Digitale Gesellschaft hatte 2011 zugespitzt gefragt: „Warum gibt es nicht 1 Prozent der Rundfunkgebühren fürs Netz?“ Und die Arbeitsgemeinschaft Dokumentarfilm (AG DOK) sah im Herbst 2011 im Schritt von der Rundfunkgebühr zum Rundfunkbeitrag eine „historische Chance für Demokratie, Pluralismus und kulturelle Vielfalt“, wenn ein Teil der neuen Einnahmen „ durch pluralistische Gremien anders“ verteilt würde. Zehn Prozent der Einnahmen sollten „für freie Internet-Projekte – darunter natürlich auch Filme – zur Verfügung gestellt werden, um damit Information, Bildung und Kultur, aufregende Experimente, gewagte Themen und Formen zu ermöglichen und das öffentlich-rechtliche Rundfunksystem auf eine breitere und zukunftsfähige Basis zu stellen.“

 

Ergänzung (16.01.)

 

Wie heute  heise.de meldet, haben Forscher des Zentrums für digitale Kulturen der Leuphana-Universität in Lüneburg 15 Thesen zur Grundversorgung 2.0 (hier)veröffentlicht. „Der Grundversorgungsauftrag und seine Beitragsfinanzierung haben nach Ansicht der Wissenschaftler zwar nichts an Plausibilität verloren. Die Breite der Angebote und Produzenten, die davon profitieren, sollte jedoch deutlich und insbesondere auf Online-Projekte erweitert werden. Beitragszahler sollten mit entscheiden können, in welche Projekte ihre Gelder investiert werden. Insgesamt müsse die Idee des Öffentlich-Rechtlichen neu gedacht werden.“

 

Am heutigen Tag hat auch der Deutsche IPTV-Verband einen Workshop zum Crowdinvesting für TV-Sender durchgeführt. Der Workshop wollte das Angebot unterbreiten, “ergebnisoffen” darüber zu diskutieren, ob und wie Crowdinvesting den deutschen TV-Markt im Allgemeinen und den öffentlich-rechtlichen Rundfunk im Besonderen bereichern könnte.

„Mit Crowdinvesting können Produzenten ihre Filmprojekte von vielen Internetnutzern finanzieren lassen. Der Investor wird zum Co-Produzenten und wird an den späteren Erträgen beteiligt. Die Methode hat seinen Ursprung in den USA, wo sich dortige Crowdfunding Plattformen wie Kickstarter oder Indigogo mit immer höheren Projektsummen überschlagen, die erfolgreich akquiriert worden sind.“

Man hat Vorschläge zur Vergabe der Einnahmen aus der Rundfunkbeitrag gemacht. Alle Bürger sollen die Möglichkeit haben, ihren Rundfunkbeitrag „auf ein oder mehrere Projekte investieren (nach Prinzip des Crowdinvestment). Kann ein Projekt die Herstellungskosten nicht auf sich vereinen, erhält der Zuschauer seinen Einsatz zurück und kann neu disponieren. Kommen die Herstellungskosten zusammen, wird produziert. Die Inhalte gehören zu 50% den Zuschauern, die investiert haben und 50% den Kreativschaffenden. Die Gebühren der Bürger, die sich nicht an der Haushaltsabgabe 2.0 beteiligen, stehen klassisch den ÖRR-Intendanzen zur Verfügung.“

Der Workshop wurde unterstützt von der Landesanstalt für Kommunikation in Stuttgart sowie der Humboldt Media School und ist der erste Teil einer 3-teiligen Veranstaltungsreihe des Deutschen IPTV Verbandes im Rahmen des Innovationsforums Unternehmen-Region des Bundesministeriums für Bildung und Forschung.

 

 

Ergänzung (17.01.)

 

Auch der Geschäftsführer des Deutschen Kulturrats, Olaf Zimmermann, ist der Meinung, dass in Zukunft nicht nur die öffentlichen-rechtlichen Anstalten von dem neuen Rundfunkbeitrag profitieren sollten. Die „Haushaltsabgabe“ habe in der jetzt beschlossenen Form „keinen Ewigkeitswert“, so Olaf Zimmermann gegenüber Handelsblatt Online. „Grund ist aber nicht nur die Entwicklung des Öffentlich-Rechtlichen Rundfunks, sondern des gesamten Mediensystems in Deutschland. … Der altbekannte Öffentlich-Rechtliche Rundfunk wird eine wichtige Ankerfunktion behalten und neue Verbreitungswege nützen und heute noch rein kommerzielle Produkte, wie regionale und lokale Tageszeitungen, werden Teil der Nutznießer der Haushaltsabgabe werden.“

 

 

Ergänzung (21.01.)

 

 

„Ein neues Gesetz in Dänemark beschließt, künftig auch Onlinemedien zu subventionieren. Die Printmedien fürchten um ihre Besitzstände“, meldet die taz. An die Stelle der Subvention der (Papier)Presse tritt „eine von der Plattform unabhängige Produktionssubvention“. Subventionsberechtigt sind gedruckte Medien oder Internetauftritte. Ihre Inhalt müssen zur Hälfte aus redaktionellem und davon zu einem Drittel (also zu einem Sechstel des Gesamtvolumens) aus eigenproduziertem Material besteht. Zudem muss die Hälfte des redaktionellen Materials zu politischen Themen oder solchen mit „gesellschaftlichem Bezug“ sein.

Die Medien müssen mindestens drei Redakteursarbeitsplätze haben. Auch Publikationen von Parteien können Geld vom Staat erhalten. Publikationen von Institutionen oder Verbänden (Gewerkschaften, Arbeitgebern) bekommen kein Geld, wenn diese mehr als zwei Drittel der Publikation besitzen.

Insgesamt werden 55 Mio. Euro – 10 Euro je Däne – werden verteilt.

 

 

 

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Gut zur Entgiftung des öffentlichen Diskurses wäre es, auch in den Beiträgen jener, die anders denken als man selbst, die klügsten Gedanken zu suchen, nicht die dümmsten. Man läuft natürlich dann Gefahr, am Ende nicht mehr uneingeschränkt Recht, sondern einen Denkprozess in Gang gesetzt zu haben.   Klaus Raab, MDR-Altpapier, 25.05.2020, (online)    
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Auf seinem YouTube-Kanal „Ryan ToysReview“ testet der kleine Amerikaner Ryan seit März 2015 allerhand Spielzeug. Die Beschreibung des erfolgreichen Channels ist simpel: „Rezensionen für Kinderspiele von einem Kind! Folge Ryan dabei, wie er Spielzeug und Kinderspielzeug testet.“ Ryan hat 17 Millionen Abonnenten und verdient 22 Millionen Dollar im Jahr. Berliner Zeitung, 04.12.2018 (online)