Manipulierte Ranking-Shows Teil des Systems

„Beeindruckende Wurstigkeit“, titelt sueddeutsche.de. „Ranking-Skandal beim NDR“, heißt es beim Hamburger Abendblatt. „Auch der NDR manipulierte Rankings“, schreibt der Tagesspiegel.

Such der „NDR stellt einzelne Abweichungen bei Online-Votings für Unterhaltungssendungen fest“, heißt es in einer Presseerklärung. Ausgangspunkt der Recherchen des NDR waren wohl Nachfragen von Journalisten wie auch des Landtagsabgeordneten der Piraten Patrick Breyer.

„Seit 2011 sei in 9 von 58 Produktionen die Rangfolge von nichtrepräsentativen Online-Votings verändert worden“,

fasst das Handelsblatt zusammen. Manipuliert wurde aus verschiedenen Gründen.

 

„Bei Musik-Hitparaden in den Radiowellen N-Joy und NDR 1 Radio MV wurden einige Abstimmungsergebnisse „relativiert“,

 

wenn es aussah, als ob sie von außen manipuliert worden waren, ohne das im Programm transparent zu mache“, so faz.net.

 

Platzierungen wichen auch ab,

 

„weil Bildrechte fehlten, die Materiallage schlecht war oder aus dramaturgischen Gründen“.

 

„Der Fall verrät einiges über den Umgang der Öffentlich-Rechtlichen mit ihren zahlenden Zuschauern. Der neue Fall macht nun noch einmal deutlich, worum es sich tatsächlich handelt: um die Simulation von Teilhabe“, so Katharina Riehl auf sueddeutsche.de

 

Dies zeigt einmal mehr, welches journalistische und publizistische Selbstverständnis sich immer mehr durchsetzt. Es geht darum, mit geringem (finanziellem) Aufwand eine hohe Quote zu erzielen. Da wird dann auch mal die Wahrheit der Quote geopfert, die Darstellung der Realität verfälscht. Warum sollte das nur in der Unterhaltung der Fall sein? Gerade in der Unterhaltung, gerade bei Votings  wäre es doch noch am einfachsten, bei der Wahrheit zu bleiben. Und wie sieht es in der politischen Berichterstattung aus? Wird da die Wahrheit auch der Bild- und Materiallage bzw. aus dramaturgischen Gründen oder der politischen Sicht der Redaktion angepasst?

 

Ute Schildt, Vorsitzende des NDR Rundfunkrats, erklärte nach einer Telefonkonferenz des Vorstands des Rundfunkrats:

„In einigen Fällen sind wichtige Grundsätze missachtet worden, und mehrmals mangelte es an der nötigen Sorgfalt. Das ist so nicht hinnehmbar. Die vom Intendanten angekündigten Regeln zum Umgang mit Listing-Formaten im NDR sind ein richtiger Schritt zur Gewährleistung der Qualitätsstandards in diesem Bereich.“ Anzuerkennen sei, so Ute Schildt weiter, dass das Resultat Ergebnis einer Untersuchung sei, die der Intendant frühzeitig in Auftrag gegeben hat.

 

Angesichts der Presse- und Politikeranfragen kam Lutz Marmor gar nicht umhin, aktiv zu werden. Auch wenn jetzt Regeln festgelegt werden – es ist doch zu fragen, warum die zuständigen Mitarbeiter gegen publizistische Selbstverständlichkeiten verstoßen haben, welche Regeln mittlerweile innerhalb des Systems selbstverständlich geworden sind. Wieso muss man Regeln erstellen, damit sich Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter an normale journalistische Standards halten?

Die Sender sollen der Demokratie dienen, Beiträge zur Meinungs- und Willensbildung leisten, wahrheitsgemäß Bericht erstatten, ein möglichst objektives Bild liefern. Doch was machen sie, wenn „Bildrechte fehlen“, „die Materiallage schlecht ist“ oder sie dramaturgischen Ideen“ folgen?

 

 

In § 11 Rundfunkstaatsvertrag heißt es zum Auftrag:

 

„(1) Auftrag der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten ist, durch die Herstellung und Verbreitung ihrer Angebote als Medium und Faktor des Prozesses freier individueller und öffentlicher Meinungsbildung zu wirken und dadurch die demokratischen, sozialen und kulturellen Bedürfnisse der Gesellschaft zu erfüllen. Die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten haben in ihren Angeboten einen umfassenden Überblick über das internationale, europäische, nationale und regionale Geschehen in allen wesentlichen Lebensbereichen zu geben. Sie sollen hierdurch die internationale Verständigung, die europäische Integration und den gesellschaftlichen Zusammenhalt in Bund und Ländern fördern. Ihre Angebote haben der Bildung, Information, Beratung und Unterhaltung zu dienen. Sie haben Beiträge insbesondere zur Kultur anzubieten. Auch Unterhaltung soll einem öffentlich-rechtlichen Angebotsprofil entsprechen.

 

(2) Die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten haben bei der Erfüllung ihres Auftrags die Grundsätze der Objektivität und Unparteilichkeit der Berichterstattung, die Meinungsvielfalt sowie die Ausgewogenheit ihrer Angebote zu berücksichtigen.“

Onlinefilm.org

Zitat der Woche
Gut zur Entgiftung des öffentlichen Diskurses wäre es, auch in den Beiträgen jener, die anders denken als man selbst, die klügsten Gedanken zu suchen, nicht die dümmsten. Man läuft natürlich dann Gefahr, am Ende nicht mehr uneingeschränkt Recht, sondern einen Denkprozess in Gang gesetzt zu haben.   Klaus Raab, MDR-Altpapier, 25.05.2020, (online)    
Out of Space
Auf seinem YouTube-Kanal „Ryan ToysReview“ testet der kleine Amerikaner Ryan seit März 2015 allerhand Spielzeug. Die Beschreibung des erfolgreichen Channels ist simpel: „Rezensionen für Kinderspiele von einem Kind! Folge Ryan dabei, wie er Spielzeug und Kinderspielzeug testet.“ Ryan hat 17 Millionen Abonnenten und verdient 22 Millionen Dollar im Jahr. Berliner Zeitung, 04.12.2018 (online)