De facto muss unter dem Begriff ‚Zensur‘ in der Bundesrepublik weit mehr subsumiert werden als nur staatlich-restriktives Handeln. … Angesichts signifikanter Strukturveränderungen auf dem Medienmarkt und sich mehrender ‚Klagen über die Zunahme informeller Zensur‘ ist die aus der liberalistischen Traditionen erwachsene Fixierung auf staatliche Steuerungsmaßnahmen nicht mehr ausschließlich deutungstauglich. Folgerichtig erweist sich als dringliches Desiderat, kultursoziologisch relevante Interna des Medienmarkts in die Reflexion miteinzubeziehen. Dazu sind quellenintensive, umsichtige Recherchen und investigativer Journalismus in jede Richtung notwendig. Ambitionierte, empirisch fundierte Studien, die sich dem ‚Kulturgut Fernsehen‘ im Kontext des gravierenden medialen Strukturwandels der letzten drei Jahrzehnte aus literaturwissenschaftlicher Perspektive widmen, fehlen zu auffallend vielen Themenbereichen.
York-Gothart Mix: Das zwangsfinanzierte ‚Nullmedium‘: Zensur, Literatur, Markt und das öffentlich-rechtliche Fernsehen. In: Kunstfreiheit und Zensur in der Bundesrepublik. Walter de Gruyter GmbH. Berlin/Boston. 2014. S 243