Wirtschafts- und Klimajournalismus stellen ebenso wie Ökonomie und Ökologie keinen Gegensatz dar, sondern gehören wie zwei Seiten einer Medaille zusammen. Deshalb muss die Unternehmensberichterstattung künftig neben den klassischen Finanzkennzahlen (Umsatz, Gewinn etc.) auch verstärkt mit Klima-Indikatoren, wie dem jährlichen Ausstoß eines Unternehmens an Treibhausgasen (THG), arbeiten. Zu diesem Ergebnis kommt das neue Arbeitspapier der Otto Brenner Stiftung „Konzerne im Klimacheck“. Die Untersuchung schlägt ein „Integrated Business Reporting“ als neuen Ansatz der Unternehmensberichterstattung vor und zeigt die praktische Handhabung.Der THG-Ausstoß sei bei weitem der wichtigste, allerdings nur ein Baustein einer ganzen Reihe möglicher Indikatoren, die Journalist*innen zur Vermessung und Bewertung der Öko-Performance von Unternehmen einsetzen können, sagt Studienautor Prof. Dr. Lutz Frühbrodt, Medienökonom an der Technischen Hochschule Würzburg-Schweinfurt. Zu diesen Öko-Indikatoren gehören u.a. die Recyclingquote, der Anteil erneuerbarer Energien am Gesamtverbrauch, aber auch Parameter wie die „Emissionsintensität“, die den THG-Ausstoß in Relation zur Unternehmensgröße (Jahresumsatz) setzt. Neben dieser Checkliste hat Frühbrodt eine Reihe von Beispielartikeln verfasst, die zeigen, wie „Integrated Business Reporting“ funktioniert. „Ich möchte damit demonstrieren, dass sich das Konzept rasch und problemlos in die journalistische Alltagspraxis integrieren lässt“, so der Autor. Dazu brauche es eine gewisse Basis-Expertise in Sachen Klima. „Entscheidend ist jedoch der Wille der Redaktion, verstärkt Nachhaltigkeitsaspekte zu berücksichtigen – und zwar in messbarer und systematischer Weise. Im Übrigen ist dies ein gut geeigneter Ansatz, um den ‚Greenwashern‘ unter den Unternehmen auf die Schliche zu kommen.“Entsprechende Vorbehalte erscheinen zwar zuweilen berechtigt, zumal mit Blick auf die dubiosen Praktiken einiger Unternehmen, sich mit Hilfe sogenannter freiwilliger Zertifikate vom Klimaschutz „freizukaufen“. Doch wie eine Medienresonanzanalyse von Süddeutsche Zeitung, Frankfurter Allgemeine Zeitung, Welt, Handelsblatt und Börsenzeitung sowie ausgewählter regionaler Tageszeitungen im empirischen Teil der Studie zeigt, hat der Greenwashing-Generalverdacht, unter dem viele Unternehmen stehen, noch ganz andere Folgen: Die Unternehmensberichterstattung fällt durch eine grundsätzliche Passivität, wenn nicht gar Distanz zur Klimathematik auf. „Damit hinken die Wirtschaftsjournalist*innen nicht nur Aktivist*innen und NGOs hinterher“, ist Frühbrodt überzeugt, „sondern auch den großen institutionellen Investoren, die sich das Thema schon seit Jahren auf die Fahnen schreiben.“ Auch die Politik habe längst darauf reagiert. So werde allein in Deutschland in Folge einer neuen EU-Richtlinie der Kreis der Unternehmen, die Nachhaltigkeitsberichte vorlegen müssen, von derzeit 500 auf 15.000 bis 2026 erweitert. Frühbrodt: „Das sollte für alle Wirtschaftsjournalist*innen eine wahre Fundgrube sein.“
Otto-Brenner-Stiftung, Pressemitteilung, 17.01.2024 (online)
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