Kathrin Hartmann: Genau genommen bedeutet das, dass die gehobene Mittelschicht im Journalismus den Ton angibt, Themen entsprechend aussucht und aufbereitet – wobei sich die Schreiber an ihrer Zielgruppe orientieren. Aber wenn sich die Elite in Wirtschaft, Verwaltung, Justiz und selbst im Journalismus bündelt – wer repräsentiert dann noch die Belange der Allgemeinheit? Und wie nah sind die Vertreter am Alltag und der Lebenswirklichkeit der Kleinbürger und Bedürftigen?
Michael Hartmann erkennt im Journalismus ein selbsterhaltendes System: „Die Journalisten stammen ja überwiegend aus der Mittelschicht. Man hinterfragt dann Voraussetzungen nicht mehr, sondern vergewissert sich im wechselseitigen Gespräch.“ Vor allem sei es viel einfacher, nach unten zu treten, als das komplizierte Geflecht von Wirtschaft und Macht zu entwirren: „Im Vergleich dazu erscheint Hartz IV simpel – davon hat man ein Bild, da hat man das Gefühl, was zu durchblicken.“ Noch dazu ist es viel riskanter, sich mit den Mächtigen und dem herrschenden Mainstream anzulegen: „Das befördert keine Karriere.“
epdmedien 29/2012, S. 5 f.