Anfang Dezember sagte Instagram-Chef Adam Mosseri vor dem US-Kongress aus. Es ging um den Vorwurf, dass die Fotoplattform der psychischen Gesundheit junger Menschen schade. Mosseri verwies auf verschiedene Maßnahmen, die Instagram zu ihrem Schutz plant. Nicht darunter ist eine Maßnahme, die das Unternehmen von 2019 an zeitweise erwogen hatte: Likes standardmäßig auszublenden. Einfach Fotos anschauen, ganz ohne Druck. Die Branche staunte. Es war, als erwäge ein Zuckerkonzern, keine Kalorien mehr zu erzeugen. Diese Änderung kam jedoch nie, wurde von Mosseri bei seinem Auftritt ausgeblendet.
Es wäre Zeit, sie einzufordern. Fast alles, was schlecht ist am Internet, hat direkt oder indirekt mit den Like-Buttons zu tun. Es gilt, das dahinterstehende Prinzip aus den Angeln zu heben: Wie könnte ein Internet ohne Likes aussehen? Welche anderen Funktionen zur sozialen Interaktion als ein „Weiter so, mehr davon“ könnte es geben? Eine Gesellschaft, die sich diese Fragen nicht stellt, unterwirft sich den Regeln der Tech-Konzerne. Diese Regeln gilt es zu hinterfragen – sie gewissermaßen zu disliken.
Philipp Bovermann, sueddeutsche.de, 26.12.2021 (online)