Jeder Film, egal, wann er spielt, erzählt auch über seine Entstehungszeit. Wenn ich heute einen Film über die DDR machen könnte, würde ich noch mal ganz anders rangehen. …
Da muss ich erst einmal drüber reden, was mir an den Filmen fehlt, die es über die DDR gibt und die ich auch gesehen habe. Allzu selten kommen sie von Leuten, die den Osten erlebt haben. Es fehlen mir Stimmungen. Insofern würde ich gern einen Film machen, der mehr vom Erleben kommt als von den Projektionen. Wie über die DDR erzählt wird, ist mir oft zu pathetisch. Ich meine damit nicht zu emotional. Emotional soll es sein. Das Pathos kommt aus den Klischees, die sich beim filmischen Umgang mit der DDR etabliert haben. …. Die Figuren in diesen Filmen wirken oft wie Projektionen der Filmemacher, die sich vorstellen, welche Rolle sie in einem sozialistischen System spielen würden. Und da kann man sich entscheiden, ob man sich auf die Seite der Funktionäre stellt oder auf die der Unterdrückten. Logischerweise entscheidet man sich für die Unterdrückten, die Dissidenten. Schon sind wir wieder bei den Klischees. Bei den Rändern. Die Dissidenten brauchen dann natürlich einen Antagonisten, die Stasi, das große Drama. Es fehlen Filme, die in der kleinen Welt des Alltags Großes erzählen.
Peter Kahane, Berliner Zeitung, 09.11.2019 (online)