Nun ist selbst polemische Kritik an Big Tech sicherlich mehr als berechtigt. Sie aber mit kolonialer Ausbeutung in Verbindung zu bringen, wirft doch die ein oder andere Frage auf.
Wer im Verhältnis zwischen den USA und Europa von Kolonialismus spricht, verkennt die rassistische Komponente des Ausbeutungssystems. Die weißen Herren brachten den Landstrichen, die heute gerne als Globaler Süden bezeichnet werden, die Zivilisation, wofür die sich natürlich in großer Dankbarkeit mit unermesslichen Reichtümern erkenntlich zeigten – in Form von Rohstoffen und Sklaven. An dieses Narrativ glauben bis heute viele. Diese Dimension der kolonialen Vergangenheit (und Gegenwart) scheint Weimer nicht ganz begriffen zu haben, wenn er sie auf Tech-Konzerne und ihre Macht über Europa erweitert.
Das ist umso tragischer, weil es digitalen Kolonialismus tatsächlich gibt. Die digitale Revolution, insbesondere auch im Bereich KI, beruht auf Arbeit und Rohstoffen aus dem globalen Süden. Millionen Clickworker kämpfen sich jeden Tag stundenlang und ohne Betreuung durch psychisch belastende Online-Inhalte, um sie den Nutzern im Globalen Norden zu ersparen. Digitale Infrastrukturprojekte dienen weiterhin in erster Linie dem wirtschaftlichen Vorteil der investierenden Länder, nicht den Menschen vor Ort. Und Bergbau-Konzerne hinterlassen bei der Jagd nach Lithium oder Kobalt immer noch ähnliche Verwüstungen an Umwelt und Menschen wie im 19. oder 20. Jahrhundert bei der Suche nach Kautschuk oder Elfenbein – und zwar damals und heute mit einer ordnungsgemäßen Lizenz.
Jana Ballweber, turi2.de, 16.10.2025 (online)

