Radio ist für mich das Sinnlichste aller Medien. Es kann bodenständiger und gehaltvoller als Fernsehen sein, es ist entspannter und im Idealfall detailverliebter als andere Medien (…) Ich bin fasziniert von dem, was in den Sechzigern und Siebzigern in der Radiolandschaft passiert ist: Piratensender, intelligente, geschmackssichere und witzige DJs, die mehr Gespür für gute Songs hatten als alle anderen lebenden Menschen, eine klare Haltung, ständige Innovationen, mutige Programmchefs, die Visionen hatten und Programme, in denen man nie genau wusste, was als nächstes passiert. Heute sehe ich oft nur noch Zynismus, Austauschbarkeit und Kleinmut bei denen, die Programm verantworten. Das hat oft mehr den Anschein des puren Abwickelns eines Produktes, das irgendwie wie Radio klingen soll, aber keinen Wert mehr auf Charme, Persönlichkeit und Ideen legt. Viele aktuelle Programme hätte man vor 20 Jahren als düstere, bizarre Radioprogrammparodie empfunden. Ich habe bei vielen Programmen heute das Gefühl, dass die Hörer nicht mehr wirklich ernstgenommen werden.
Arnd Zeigler, radioszene.de, 26.05.2020 (online)