Die Überwachungssysteme liefern jede Menge Daten, die jedoch selbst Ungewissheit bzw. Unwissen produzieren, sodass neue Daten gewonnen werden müssen. Ein absoluter Teufelskreis. Die Überwachungsmaschinerie folgt damit derselben expansiven Logik wie der Kapitalismus.
Wenn Clearview AI der Ukraine nun also kostenlosen Zugang zu seiner Gesichtserkennungssoftware gewährt, dehnt sich der Überwachungskapitalismus auch auf das Schlachtfeld aus und es gibt eine direkte Rückkopplung zwischen militärischer und ziviler Nutzung. Millionen Menschen, die gar nicht wissen, dass ihr Konterfei in einer riesigen biometrischen Datenbank gelandet ist und der Nutzung wahrscheinlich auch gar nicht zugestimmt haben, müssen nun also ihren Kopf hinhalten, um tote Soldaten zu identifizieren.
Man kann das mit Recht für pietätlos und abstoßend halten. Doch der Krieg ist am Ende auch eine Stätte der Datenproduktion – und schert sich um die Würde der Menschen herzlich wenig.
Adrian Lobe, taz.de, 3.4.2022 (online)