In den vergangenen Jahren wurde Becker nicht müde, der Branche ihre Botschaften mitzuteilen. Mal kritisierte sie die reine Profitsucht ihrer Kollegen und warb für mehr „Qualitätsjournalismus“. Dann warnte sie vor Clickbait und Zuspitzung. Sie prangerte toxische Männlichkeit im Journalismus an, forderte mehr Frauen in Führungspositionen und bessere Bezahlung von Reportern und Fotografen. Und nicht zuletzt trommelt sie unablässig für den Kampf gegen Desinformation.
Das ist natürlich nicht falsch. Nun ist es aber so, dass Funke traditionell für wirklich alles steht, was Becker kritisiert. Jahrzehntelang ging es in Essen nur um den Profit. Während journalistische Stellen im Lokaljournalismus wegfielen, kassierten die damaligen Gesellschafter bis zu 80 Prozent des Gewinns als Rendite. Freie Mitarbeiter von Funke-Titeln wie der „Braunschweiger Zeitung“ kämpften gegen neue Verträge, die noch niedrigere Honorare vorsahen. Funke-„Reichweitenportale“ wie „derwesten.de“ stehen bis heute für Clickbait wie aus dem Lehrbuch. Und Desinformation war bei den Klatschblättern des Hauses quasi gewünschter Standard.
Alexander Graf, Übermedien-Newsletter, 28.06.2025 (online)