Weil in diesem Sinn der politische Gehalt, zu schweigen vom Neuigkeitswert, einer solchen Veranstaltung begrenzt ist, kommt es in erster Linie auf Äußerlichkeiten an – Auftreten, Aussehen, Aggressivität, Empathie, Mimik, Bühnenpräsenz. Die beiden bekanntesten Beispiele für die Wirkung von Äußerlichkeiten in einer Fernsehdebatte stammen aus den USA: Der unrasierte, fahrige Richard Nixon verlor gegen den dynamischen, jung wirkenden John F. Kennedy im überhaupt ersten Duell der TV-Geschichte 1960. 2024 schoss sich der altersgraue, unkonzentrierte Joe Biden ganz ohne Zutun Trumps im Fernsehduell selbst aus dem Rennen. Der Schein bestimmt das Bewusstsein.
Die Schauspielerei ist grundsätzlich ein ernsthafter, ernst zu nehmender Beruf. Die Präsentation von Politik als Schauspiel durch Politiker (und Moderatorinnen), die spielen, was sie sein wollen (Kanzler oder Kanzlerin), ist hingegen mindestens fragwürdig. Sie reduziert außerdem ein politisches System und sein Verhältniswahlrecht auf eine Konkurrenz zwischen Personen.
Kurt Kister, sueddeutsche.de, 18.12.2024 (online)