Es ist vor diesem Hintergrund unverschämt, wie selbstgerecht und aufgekratzt die Medienmanager des öffentlich-rechtlichen Rundfunks die deutschen Verlegerinnen und Verleger, Kritikerinnen und Kritiker und Intellektuellen immer wieder über die sensationelle Neuigkeit in Kenntnis setzen, dass übrigens das digitale Zeitalter begonnen habe. Als sei die Auflösung der Gesellschaft in Zielgruppen und Kundenprofile unabwendbar und werde nicht von ihnen selbst vorangetrieben. Etwas Antidemokratisches liegt in dieser Naturalisierung von Gesellschaft. Literatur und Kritik gehören in der Vorstellungswelt dieser Entscheider in das 20. Jahrhundert. Man hatte derlei neudeutschen Entscheiderunsinn schon vermutet …. Die deutschen Literaturverlage melden in der Pandemie steigende Verkäufe, und sie bauen ständig Autoren auf, die aus dem Digitalen in die Verlagswelt kommen und damit den umgekehrten Weg gehen wie die Rundfunkanstalten.
Felix Stephan, sueddeutsche.de, 25.02.2021 (online)