Aber bei aller Direktheit, die von der Langzeitbegleitung ausgeht – diese Form hat auch ihre Grenzen. Denn alles, was nicht im Bild zu sehen ist, findet keinen Platz in der Erzählung. Das ist gerade bei der Darstellung der AfD ein Problem. Denn die Annahme, man müsse nur zeigen, wie menschenverachtend die Leute da reden, dann würde sich die Partei von selbst entlarven, ist leider eine falsche. […]
„Ernstfall“ erzählt all das, was man aus den „Tagesschau“-Meldungen schon weiß, noch einmal, aber ohne dass dabei viel mehr herumkäme als bei den „Tagesschau“-Meldungen. So helfen Stephan-Lamby-Filme weniger bei der Information als zur Selbstvergewisserung – sie bedienen das Sendungsbewusstsein der Politik und die Eitelkeit des Journalismus.
Auch deshalb ist der Ansatz, den der Dokumentarfilmemacher Florian Opitz gewählt hat, so bemerkenswert. Opitz erzählt in seiner aktuellen, fünfteiligen Arte-Doku-Serie namens „Capital B – Wem gehört Berlin„, wie die deutsche Hauptstadt nach der Einheit 1990 wurde, was sie heute ist.
Die Serie arbeitet mit klug ausgesuchtem Archivmaterial und Interviews mit etwa 25 Menschen aus ganz verschiedenen Kreisen – aus der Politik, auch aus den Medien, vor allem aber aus Kultur und Zivilgesellschaft.
Dank dieser Vielstimmigkeit gelingt es, die Komplexität von politischen Entscheidungen begreifbar zu machen. Man weiß danach mehr über Berlin und die Politik – und würde sich wünschen, dass auf solche umfassende Weise häufiger dokumentarisch gearbeitet wird.
Matthias Dell, @mediasres, 4.10.2023 (online)
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