Zitiert: Politische Dokumentarfilme – weniger Selbstvergewisserung, mehr Komplexität

Aber bei aller Direktheit, die von der Langzeitbegleitung ausgeht – diese Form hat auch ihre Grenzen. Denn alles, was nicht im Bild zu sehen ist, findet keinen Platz in der Erzählung. Das ist gerade bei der Darstellung der AfD ein Problem. Denn die Annahme, man müsse nur zeigen, wie menschenverachtend die Leute da reden, dann würde sich die Partei von selbst entlarven, ist leider eine falsche. […]

„Ernstfall“ erzählt all das, was man aus den „Tagesschau“-Meldungen schon weiß, noch einmal, aber ohne dass dabei viel mehr herumkäme als bei den „Tagesschau“-Meldungen. So helfen Stephan-Lamby-Filme weniger bei der Information als zur Selbstvergewisserung – sie bedienen das Sendungsbewusstsein der Politik und die Eitelkeit des Journalismus.

Auch deshalb ist der Ansatz, den der Dokumentarfilmemacher Florian Opitz gewählt hat, so bemerkenswert. Opitz erzählt in seiner aktuellen, fünfteiligen Arte-Doku-Serie namens „Capital B – Wem gehört Berlin„, wie die deutsche Hauptstadt nach der Einheit 1990 wurde, was sie heute ist.

Die Serie arbeitet mit klug ausgesuchtem Archivmaterial und Interviews mit etwa 25 Menschen aus ganz verschiedenen Kreisen – aus der Politik, auch aus den Medien, vor allem aber aus Kultur und Zivilgesellschaft.

Dank dieser Vielstimmigkeit gelingt es, die Komplexität von politischen Entscheidungen begreifbar zu machen. Man weiß danach mehr über Berlin und die Politik – und würde sich wünschen, dass auf solche umfassende Weise häufiger dokumentarisch gearbeitet wird.

Matthias Dell, @mediasres, 4.10.2023 (online)

Onlinefilm.org

Zitat der Woche
Gut zur Entgiftung des öffentlichen Diskurses wäre es, auch in den Beiträgen jener, die anders denken als man selbst, die klügsten Gedanken zu suchen, nicht die dümmsten. Man läuft natürlich dann Gefahr, am Ende nicht mehr uneingeschränkt Recht, sondern einen Denkprozess in Gang gesetzt zu haben.   Klaus Raab, MDR-Altpapier, 25.05.2020, (online)    
Out of Space
Auf seinem YouTube-Kanal „Ryan ToysReview“ testet der kleine Amerikaner Ryan seit März 2015 allerhand Spielzeug. Die Beschreibung des erfolgreichen Channels ist simpel: „Rezensionen für Kinderspiele von einem Kind! Folge Ryan dabei, wie er Spielzeug und Kinderspielzeug testet.“ Ryan hat 17 Millionen Abonnenten und verdient 22 Millionen Dollar im Jahr. Berliner Zeitung, 04.12.2018 (online)