Die Öffentlichkeit hat einmal mehr das Problem, dass der öffentliche Diskurs auf den Servern eines privaten Unternehmens gespeichert wird. Die gleichen Mechanismen konnte man beobachten, als andere einst unverzichtbare Online-Plattformen ihre Dienste eingestellt haben oder damit strauchelten. Doch während es bei Flickr, Myspace oder Geocities hauptsächlich um private Fotos, selbst aufgenommene Lieder oder erste Gehversuche mit Webdesign waren, ist Twitter ein zeitgeschichtliches Dokument, das in Echtzeit die großen Konflikte abbildet. Hier wurden Aufstände geplant, Kriegsverbrechen dokumentiert und Frontverläufe gekennzeichnet. Es wimmelt von bedeutenden Inhalten aus den letzten 16 Jahren, die den Historikern von morgen helfen könnten, die Welt von heute zu verstehen.
Michael Moorstedt, sueddeutsche.de, 21.11.2022 (online)