Auch das Leibniz-Institut für Medienforschung | Hans-Bredow-Institut (HBI) hat im Januar eine Stellungnahme zum „Diskussionsentwurf zu Auftrag und Strukturoptimierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks“ abgegeben. Vom öffentlich-rechtlichen Rundfunk zu öffentlich-rechtlichen Medieninnovatoren? Die Angebote der öffentlich-rechtlichen Anbieter sind längst nicht mehr auf lineare Fernseh- oder Radioprogramme begrenzt, seit vielen Jahren zählen Online-Angebote zum öffentlich-rechtlichen Repertoire. Dies unterscheidet ihn nicht von anderen Online-Angeboten, die von privaten Medienschaffenden zur Verfügung gestellt werden. Weil der öffentlich-rechtliche Rundfunk aber im Gegensatz zu privaten Angeboten über eine gesicherte, von aktuellen Marktbedingungen unabhängige Finanzierung verfügt, wird seit Langem diskutiert, ob ihm ein besonderer Auftrag zur Innovation zukommen sollte. […]
Die Vorgabe zur Schaffung von Prozessen und Qualitätssicherungsverfahren im Entwurf ist nicht auf den Bereich der Entwicklung technischer Infrastrukturen begrenzt, sondern legt sich vielmehr ganzheitlich auf den öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Die Entwicklung vielfaltsfördernder Empfehlungssysteme ist aber ein Beispiel, für das dieser Bestandteil des entworfenen neuen Ordnungsrahmens besonders förderlich wäre. […]
Als ambivalent im Feld der Digitalisierungsbestrebungen fällt ins Auge, dass durch den Entwurf implizit darauf abgezielt werden könnte, öffentlich-rechtliche Inhalte verstärkt auch auf privaten Plattformen anzubieten (§§ 26 Abs. 1 S. 10; 30 Abs. 4 S. 5 MStV-E), z. B. um die Nutzendenzahlen zu erhöhen. Dies schiene im Konflikt mit den erwähnten Vorgaben stehen, ein vielfältiges Angebot zu machen. Das Bundesverfassungsgericht schreibt dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk eine klare Gegengewichtsfunktion zu, die die Anstalten aber dort nur zum Teil selbst gewährleisten können, wo sie ihre Inhalte den Empfehlungslogiken privater Anbieter anheimstellen.
Valerie Rhein und Stephan Dreyer, medienpolitik.net, 19.4.2022 (online)