Ein Beispiel, wie politischer Diskurs nicht geht, lieferte das ARD-Format „hart aber fair 360“. Die angedeutete Gradzahl spielt darauf ab, dass die einzelnen Politikerinnen hier von ihren Diskussionspartnerinnen umringt sind. Die können sich mittels Buzzer auf Redezeit bewerben und werden, so scheint es, zufällig ausgewählt, das Wort zu ergreifen.
Allerdings kommen hier nur Kommunikationsprofis zu Wort, viele von ihnen verdanken ihre Bekanntheit sozialen Medien. […]
Was die ARD damit bezwecken will, ist klar: Die Influencer sollen ihr Publikum aus dem Internet mit in die Öffentlich-Rechtlichen nehmen. Was ein nachvollziehbarer Versuch ist, den Wahlkampf für eine jüngere Zielgruppe zu öffnen, schwächt die Debatte. […]
Denn viele der Internetpromis bringen vor allem die überhitzte Diskussionskultur aus den sozialen Medien ins Studio und nutzen die Bühne der ARD vor allem, um sich selbst zu profilieren.
Dass es auch anders gehen kann, zeigte dagegen die ZDF-Sendung „Klartext“, die schon bei der letzten Bundestagswahl 2021 lief. Hier kommen – vom Bauarbeiter zur Bankkauffrau – größtenteils ganz normale Bürger*innen zu Wort. Deren gewissermaßen „naturgegebene“ Authentizität zwingt die Politik-Profis dazu, aufrichtige Antworten zu geben. Zumindest mit Ausnahme von AfD-Frontfrau Alice Weidel, die ihr Gegenüber wahlweise mit falschen Fakten „korrigiert“ oder ihm vorwirft, ihr Wahlprogramm nicht gelesen zu haben.
Jannik Grimmbacher, taz.de, 17.02.2025 (online)