An der Sinnhaftigkeit ihres Programms hegten die Chefs von ARD und ZDF lange Zeit nicht den geringsten Zweifel. Wer sich nicht beirren lässt, ist geradlinig; wer sich verschanzt, ist beratungsresistent. Der Boom des öffentlich-rechtlichen Quarks deutet auf Letzteres hin. […]
Sex, Drugs and Rock’n’Roll war einmal das Motto der 68er-Generation. Nun ist sie alt geworden und lässt sich mit Krimi, Talkshow und Schlager abspeisen. […]
Die angeblich kurze Aufmerksamkeitsspanne der Generation Smartphone diskutieren die Eltern der Nation als Problem. Ihre eigene ARD-ZDF-Reiz-Reaktions-Langeweile-Maschine übersehen viele geflissentlich. Diese Maschine wird angetrieben vom kurzsichtigen Schielen auf Einschaltquoten und vom Algorithmus der stetig stärker werdenden Selbstverblendung. Ein Teufelskreis ist entstanden, in dem kein frischer Wind weht, nichts mehr riskiert, das Alte ständig neu aufgebrüht wird. Öffentlich-rechtliche Filterblasen. […]
Die Null, an die sich das Niveau des öffentlich-rechtliche Programms asymptotisch annähert, entspricht einfach nicht dem Auftrag, den die Sender haben. Der Rundfunk-Staatsvertrag verpflichtet sie dazu, „als Medium und Faktor des Prozesses freier individueller und öffentlicher Meinungsbildung zu wirken und dadurch die demokratischen, sozialen und kulturellen Bedürfnisse der Gesellschaft zu erfüllen“. […]
Auf der Wunschliste eines jeden Mitglieds der Generation Z mit einem Sinn für gesellschaftsförderndes Glotzen dürften stehen: ruckelfreie Mediatheken-Player ohne Überladung durch Buttons und Schriftzüge; ausländische Filme und Serien in Originalsprache; mehr Reportagen zur besten Sendezeit; mehr investigative Podcasts wie Wildwild Web und Oury Jalloh; kein Raum für Luftikus-Debatten und Debatten-Luftikusse à la Flaßpöhler, Streeck, Precht; weniger Hitler-Dokus und Geschichtskitsch; Rundfunkräte, die die Gesellschaft abbilden und nicht die Staatskanzleien.
Adrian Schulz, tagesspiegel.de, 23.11.2022 (online)