Immer neue Plagiats-Affären erschüttern Sozialwissenschaften und Sachbuchverlage. Neue Kontrollinstanzen sind überfällig. […] In den Phasen der öffentlichen Erregung über die Ethik des Publizierens erlebt der Berufsstand des Lektors eine unrühmliche Wiedergeburt. Waren diese Erstleser einst die interessantesten, im nicht sichtbaren Bereich agierenden, eigentlichen Machthaber der Buchwelt, wird heute allenfalls gefragt: Warum hat der Lektor oder die Lektorin nicht gemerkt, dass der Autor abgeschrieben hat? Ja, warum hat er oder sie es nicht gemerkt? … Von fünf spontan angefragten Verlagen gibt nur einer an, sporadisch eine Plagiatssoftware zu nutzen. Die anderen denken zumindest darüber nach. Aber diese Skepsis verkennt das Problem. Viele der Autoren wollen nicht plagiieren, es passiert ihnen. Würden Verlage ihre Bücher vor Drucklegung standardmäßig mit einer Software abgleichen, ließe sich das Kind retten, bevor es in den Brunnen fällt. Ein Gewissenskonflikt ist das nicht. Die standardisierte Überprüfung würde die Verlage schützen, aber eben auch die Autoren vor sich selbst. Miryam Schellbach, sueddeutsche.de, 25.3.2022 (online)