Falls das Ziel ist, etwas Bestimmtes zu erreichen, wäre eine Herangehensweise sinnvoller, die stärker in Betracht zieht, aus welchem Kulturkreis das Gegenüber kommt. Jeder Mensch hat Werte, die mit seiner eigenen Kultur zu tun haben. Für Deutsche mag es da hoch angesehen sein, die Sachen so auszusprechen, wie sie sind. Aber das ist nicht immer und überall die beste Taktik. In einer anderen Kultur könnte es als beleidigend empfunden werden und die Fortführung der Beziehungen gefährden. Die Menschen, die am erfolgreichsten international arbeiten, sind in der Lage, sich bei Bedarf auf die Kultur ihres Gegenübers einzustellen. Sie können ihren Umgangsstil anpassen. […] Die ganze Idee von Diplomatie dreht sich um die Erkenntnis, dass man vom Ziel aus denken muss. Wie bekomme ich genau dieses Gegenüber mit seinen individuellen, aber auch kulturellen Eigenheiten dazu, das zu tun, was in meinem Interesse ist. Der direkte Weg ist da manchmal nicht der beste, auch wenn im eigenen Kulturkreis, in diesem Fall sprechen wir ja über Deutsche, dem direkten Weg am meisten applaudiert wird.
Erin Meyer, sueddeutsche.de, 20.1.2023 (online)